Jubel auf Knopfdruck

BERLIN. Nach dem Fernsehduell zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Unions-Herausforderin Merkel finden sich überall nur Sieger.

Es gab "Kanzlerwurst" im Studio G in Berlin-Adlershof, wo hunderte Gäste und Journalisten per Großbildleinwand das Fernsehduell am Sonntagabend verfolgten. Dazu frisches Pils. Ein gutes Omen für Gerhard Schröder, witzelten einige, zu dessen Leibgerichten nun mal die berühmte Berliner Currywurst samt leckerem Bierchen gehört. Später am Abend dann, als die Schweinwerfer erloschen waren und das Duell zwischen dem Regierungschef und seiner Herausforderin Angela Merkel Einzug in die Fernsehgeschichte gehalten hatte, kam auch der Niedersachse endlich in den Genuss der von ihm so geliebten schnellen Küche: Im Kanzleramt hatte seine Frau Doris Buletten und Häppchen anrichten lassen, als ihr Mann und enge Freunde das Spektakel noch einmal debattierten. Und feierten. Denn Gerhard Schröder sieht sich selbst - und seine Getreuen sehen ihn - als klaren Sieger des Schlagabtausches an. Allerdings - wen wundert's - hält sich auch Unionskandidatin Merkel für die Gewinnerin. Die Ostdeutsche suchte nach dem 90-Minuten-Stress ebenso ein wenig Entspannung. In einem urigen Berliner Restaurant versammelte sie einige enge Vertraute um sich, um bei Wein und leichter Kost den Ausgang des Duells zu bewerten. So, wie es viele an diesem spannenden Abend taten. Denn kaum hatten Schröder und Merkel ihre Schlussworte gesprochen, begann die Zeit der Deuter, der Analysten und vor allem auch der Meinungsmacher. Im Pressezentrum zogen sie ihre Bahnen, die Kanzlerfreunde, die wie auf Knopfdruck Gerhard Schröders Auftritt bejubelten. Und die Merkel-Fans, die monoton den Journalisten den Sieg der Kandidatin einzubläuen versuchten. Vorne- weg die zahlreich vertretene Politprominenz. Viel wurde von den Gefolgsleuten der Kandidaten geredet, aber eigentlich nur zweierlei gesagt: Für die einen war Merkel nach dem Duell auf ihrem Weg ins Kanzleramt nicht mehr zu stoppen. Für die anderen hingegen war klar, dass allein Gerhard Schröder das Zeug zum Regierungschef hat. Im Grunde fühlte sich aber eigentlich nur jeder in seiner vorgefertigten Auffassung bestätigt. Noch in der Nacht begannen die Parteizentralen, die Werbetrommel für ihren Kandidaten zu rühren. So veröffentlichte die SPD beispielsweise im Stundentakt Glückwunschadressen an den Kanzler. Und die Union verschickte Jubel-SMS: "Merkel hat TV-Duell klar gewonnen. Bitte informieren Sie darüber auch ihre Freunde, Bekannten und Kollegen", war zu lesen. Gestern früh dann mussten die zahlreichen Aktivisten zeitig auf die Straße: "Klarer Sieger: Gerhard Schröder", stand auf Handzetteln der Genossen, die bundesweit vor Bahnhöfen und Betrieben verteilt wurden. Die CDU konterte mit eigenen Flugblättern.Kontrahenten durften sich häufig beharken

Klappern gehört nun mal zum Geschäft beim Kampf um die Deutungshoheit und um den Wähler. Glaubt man den Umfragen, ist der Titelverteidiger als deutlicher Gewinner des Fernseh-Schlagabtauschs hervorgegangen. Die Experten im Pressezentrum bescheinigten aber Anwärterin Merkel eine solide Leistung, vor allem eine, die besser als erwartet war. Das Duell insgesamt profitierte von dem Umstand, dass sich dank des wenig starren Reglements beide Kontrahenten verbal viel häufiger beharken konnten - anders als noch bei den Duellen 2002 zwischen Schröder und Unionskandidat Edmund Stoiber. Merkel blies gleich zu Beginn zum Angriff, was den Kanzler zunächst sichtlich überraschte. Regierungssprecher Bela Anda räumte gestern für seinen Chef leichte Duell-Startprobleme ein. "Der Kanzler war am Anfang etwas nervös. Aber er hat nach zehn Minuten zur Form gefunden", befand Anda. Schröder selbst sei mit dem Verlauf "sehr zufrieden". Angela Merkel wollte sich keine Note geben.

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