Justitia als Psycho-Thriller

TRIER. Der siebte Verhandlungstag im Verfahren gegen Frank T. schlug im Trierer Landgericht wie eine Bombe ein. Ein Befangenheitsantrag gegen das Gericht, die Verhaftung eines Zeugen im Gerichtssaal, plötzliche Kehrtwendungen, heftige Manipulationsvorwürfe gegen Verwandte und Verteidiger des Angeklagten: Kein Fernseh-Drehbuch hätte annähernd so spektakulär sein können wie die Realität.

Hubert T. verpasst keine Prozess-Minute. Selbst beim Ortstermin auf einer abschüssigen Serpentinenstraße sitzt er mit im Gerichts-Bus. Man könnte ihn für einen rüstigen Rentner halten mit einem Faible für die Strafjustiz. Aber Hubert T. ist nicht zu seinem Vergnügen da. Er ist der Vater des Angeklagten. Spätestens seit dem siebten Verhandlungstag ist er vielleicht noch etwas mehr. Glaubt man einer umfassenden Zeugen-Aussage und diversen Indizien, dann könnte er eine Art Strippenzieher sein, der das Verfahren nach allen Regeln der Kunst beeinflusst. Nicht nur durch das Anheuern von Privatdetektiven und den Einkauf einer Phalanx von Star-Verteidigern, sondern notfalls auch durch Bares für vorsätzliche Falsch-Aussagen. Dabei vermittelt Hubert T. in keiner Weise den Eindruck, er sei erfreut über seinen Filius. Im Gegenteil. Aber er wirkt wie der Firmen- und Familien-Patriarch in einem alten Südstaaten-Film, der eigenhändig für Zucht und Ordnung in seinem Clan sorgt, aber nie auf die Idee käme, einen der Seinen kampflos dem Urteil irgendeiner Justiz zu überlassen. So hat er - für gutes Geld, wie er selbst sagt - die Crème de la Crème für die Verteidigerbank angeheuert. Nebeneinander sitzen dort der Bernkasteler "Hausanwalt" Clemens Lauerburg, der Verfahrens- und Revisionsspezialist Paul Greinert aus Trier und der Doyen der einheimischen Anwaltszunft, Justizrat Roderich Schmitz. So eine Besetzung habe es "seit dem Verfahren gegen Rotlicht-König Dieter B. in Trier nicht mehr gegeben", sagt ein Justiz-Insider. Ein entsprechendes Feuerwerk brennen die Herren denn auch ab, sparen dabei nicht mit Ruppigkeiten gegen mutmaßliche Opfer, Zeugen oder das Gericht (der TV berichtete). Aber der siebte Verhandlungstag wird zu einem derartigen Waterloo für die Verteidigung, dass selbst Rechtsanwalt Greinert gegenüber dem TV einräumt, dies sei "in der Tat kein guter Tag für uns". Für das Debakel sorgt ein Zeuge, der den Angeklagten eigentlich entlasten sollte. Helmut P., Privatdetektiv aus Köln, dürfte angesichts seiner Latte von Vorstrafen nicht böse sein, wenn man ihn als "windig" bezeichnet. Letztes Jahr hatte er sich bei der Polizei gemeldet und angegeben, Frank T. habe ihn aufgesucht und engagiert, um einen Bekannten notfalls mit Gewalt dazu zu zwingen, ihm drei Reitpferde zu übereignen. "Versuchte Anstiftung zur Erpressung" heißt das in der Anklageschrift. Doch dann die erste Überraschung im Saal: Der Angeklagte sei "jemand ganz anderes" als jener Mann, der sich bei ihm als Frank T. vorgestellt habe. Triumphierend wendet sich T. in dieser Sekunde zu seinen Verteidigern, ballt die Fäuste, sagt etwas wie: "Na also, da sieht man's doch". Ein Moment, der im Gedächtnis haften bleibt, vor allem angesichts der folgenden Ereignisse. Zwei Stunden lang nimmt das Gericht den Detektiv ins Gebet, und der schlägt immer frechere Töne an. "Herr Richter, Sie haben sich zu benehmen", fährt er den Vorsitzenden Jörn Schlottmann an. Der reagiert mit eisiger Ruhe. Zu diesem Zeitpunkt tickt längst die Zeitbombe in den Aktenstapeln auf der Richterbank. Immer selbstsicherer wird der Zeuge. Drei Mal fragt Schlottmann, ob er sich nach einem bestimmten Zeitpunkt mit dem Vater des Angeklagten getroffen habe. Drei Mal verneint Helmut P. "Dann kommen sie mal bitte nach vorn", sagt der Richter, und legt P. ein heimlich aufgenommenes Foto vor, dass beide bei einem konspirativen Treffen zeigt. Der Schlag sitzt, aber er reicht noch nicht für einen K.O. Als sich P. weiter herausreden will, legt das Gericht einen Mitschnitt aus einer Telefon-Überwachung vor: Von Geldübergabe ist dort die Rede, von Absprachen, von Treffs.Aus dem Zeugenstand direkt in die Zelle

Fünf Minuten später findet sich Helmut P. in der Zelle wieder. Festgenommen von der Staatsanwaltschaft im Gerichtssaal. Die Verteidigung tobt, weil sie von den Überwachungs-Maßnahmen nichts gewusst hat. Man fühle sich von der Kammer "an der Nase herumgeführt" schimpft Roderich Schmitz, ganz Fleisch gewordene moralische Entrüstung. Nach einer Sitzungsunterbrechung stellt die Verteidigung einen Befangenheitsantrag. Das Unheil kann sie damit freilich nicht mehr aufhalten. Helmut P., vom kurzfristig beigeordneten Anwalt Otmar Schaffarczik beraten, singt plötzlich wie ein Vögelchen. Ja, er habe gegen Zahlung von 5000 Euro nach Absprache mit dem Vater und der Freundin von Frank T. eine Falschaussage gemacht. Ja, sein Auftraggeber für die Erpressung sei tatsächlich der Angeklagte gewesen, der auch hier im Gerichtssaal sitze. Und dann kommt der Satz, der den Saal elektrisiert: Ja, er habe auch mit den Anwälten Lauerburg und Greinert im Vorfeld seine Aussage besprochen. Augenblicklich beantragt Staatsanwältin Daniela Schnur, die Aussage wörtlich zu protokollieren. Der Kammervorsitzende verlässt seinen Sitzplatz, läuft die nächsten eineinhalb Stunden ohne Unterlass hinter seinem Protokollführer auf und ab. Es geht um viel. Rechtsanwälte müssen Fakten, die gegen ihren Mandanten sprechen, nicht automatisch dem Gericht melden. Aber wenn der Verdacht aufkommt, sie seien in bewusste Manipulationen involviert, stehen Reputation und Existenz auf dem Spiel. Wieder und wieder wird nachgebohrt und präzisiert. Zumindest bei Rechtsanwalt Greinert behauptet der Zeuge, er habe keinerlei Zweifel, dass dem Verteidiger bewusst gewesen sein müsse, dass es sich um eine Falsch-Aussage handele. Man habe sogar über Details geredet, die sich besonders günstig für den Angeklagten auswirken. Greinert wird von einer Minute auf die andere zum Verteidiger in eigener Sache. Der Zeuge könne nicht zwischen Fakten und Mutmaßungen unterscheiden, ruft er in den Saal. Er habe nur einige wenige Male und dabei allenfalls kurz mit Helmut P. gesprochen. Der wiederum will bis zu 15 Mal mit Greinert telefoniert haben, oft länger als zehn Minuten. Er nennt Details, behauptet, er habe sogar eine Durchwahlnummer. Zunehmende Hektik im Gerichtssaal

Die Staatsanwältin macht pausenlos Notizen. Es wird zunehmend hektisch im Gerichtssaal. Auch Rechtsanwalt Lauerburg weist die Vorwürfe ausdrücklich zurück, will sich aber nicht weiter äußern, bevor er seine detaillierten Gesprächs-Akten konsultiert hat. Unterdessen ist Justizrat Schmitz auf der Verteidigerbank unmerklich nach außen gerückt. Er sitzt hart an der Tischkante, fast ein Meter Distanz klafft zwischen ihm und dem Angeklagten samt seinen Co-Verteidigern. Es fällt schwer, dem Bild keinen Symbolwert beizumessen. Nur Hubert T., der Vater des Angeklagten, sitzt ohne jede sichtbare Regung im Zuschauerraum und beobachtet äußerlich ungerührt das Ende eines Verhandlungstages, der dieses Verfahren massiv verändern wird und für einige der Beteiligten unliebsame Folgen haben könnte. Der Senior hat jede Aussage verweigert. Die Staatsanwaltschaft wird überlegen müssen, wie sie mit ihm umgeht.

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