Justitias Umwege

TRIER. (DiL) Überraschendes Ende einer scheinbar unendlichen Justiz-Geschichte: Drei Jahre nach der ersten Anklageerhebung und nach fünf Prozessen hat das Oberlandesgericht Dieter G. und Ilja S. freigesprochen. Eine Chronologie der Ereignisse um die Organisation "Krumme 13".

Im Sommer 2001 waren es die Vermieter von Dieter G. in Biewer, die den Stein ins Rollen brachten. Sie waren darauf gestoßen, dass der ehemalige Grenzschutzbeamte eine Organisation namens "Krumme 13" gegründet hatte, die sich öffentlich für die Legalisierung sexueller Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern einsetzte. Beim Trierer Amtsgericht beantragte man im Dezember 2001 sogar den Eintrag ins Vereinsregister - erfolglos. Im Stadtteil entstand eine Bürgerinitiative, G. wurde die Wohnung gekündigt, er zog nach Hamburg um. Im Zuge einer Durchsuchung hatte die Trierer Polizei zuvor umfassende Dateien auf der Krumme-13-Homepage im Internet sichergestellt, darunter auch eine Textsammlung des Berliners Ilja S. Darin enthalten der Text eines Autors namens Stefan, der - inzwischen erwachsen - Liebesbeziehungen schilderte, die er als Kind zu Erwachsenen unterhielt. Im Herbst 2002 erhob die Staatsanwaltschaft Trier deshalb Anklage wegen des Verbreitens pornographischer Schriften. Der gleiche "Stefan-Text" erschien allerdings in Berlin sogar in einer öffentlich verkauften Zeitschrift, ohne dass die dortige Justiz ein Eingreifen für nötig hielt. In Trier verurteilte das Amtsgericht im März 2003 den einschlägig vorbestraften Dieter G. zu acht Monaten Gefängnis ohne Bewährung, Ilja S. erhielt sechs Monate mit Bewährung. Der Text sei eindeutig pornographisch, Pädophilen werde es bei der Lektüre "nicht nur ums Herz warm", sagte die junge Richterin. Die Angeklagten legten Berufung ein, die im Oktober 2003 vor der kleinen Strafkammer des Landgerichts verhandelt wurde. Das Urteil und die Begründung fielen identisch aus, der Prozess verlief freilich spektakulärer. Angeklagte und Verteidiger führten heftige Gefechte mit dem Gericht, die im Auszug der Anwälte und dem Vorwurf der Rechtsbeugung gipfelten. Die anschließende Revision beim Oberlandesgericht war 2004 erfolgreich, die Richter verwiesen den Fall nach Trier zurück. Inzwischen war allerdings Ilja S. in Berlin zu einer mehrjährigen Haftstrafe wegen anderer Delikte aus dem gleichen Umfeld verurteilt worden. Dieter G. musste auch aus Hamburg wegziehen und siedelte sich in Unna an.Im April 2005 kam es zur Neuauflage bei einer anderen Kammer des Landgerichts. Diesmal investierte das Gericht mehr Energie in das Beleuchten des Umfelds, zog sogar einen Gutachter hinzu. Das Ergebnis blieb jedoch, von einer leichten Milderung bei der Strafzumessung abgesehen, gleich. Inzwischen war Dieter G. auch in Unna wegen seines öffentlichen Auftretens als Pädophiler die Wohnung gekündigt worden. Er prozessierte erfolglos gegen seinen Rausschmiss. Sein derzeitiger Wohnsitz ist nicht öffentlich bekannt. Von der Pädophilen-Szene fühlt er sich im Stich gelassen, die "Krumme 13" betreibt er nur noch als Online-Newsletter weiter. Im Oktober 2005 spricht das Oberlandesgericht G. und S. vom Vorwurf der Verbreitung von Pornographie frei und erlegt die Kosten der Revisionsverfahren der Staatskasse auf. Es befindet, dass es schon im ersten Revisionsverfahren zu einem Freispruch hätte kommen müssen, wenn die damals zuständige Kammer des Landgerichts den Text vollständig wiedergegeben hätte.

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