Kampf an der Wurzel der Bedrohung

Morgen will der Bundestag den Afghanistan-Einsatz um 14 Monate verlängern und die Zahl der Soldaten von 3500 auf 4500 erhöhen.

Berlin. (wk) Unions-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff (CDU) erläutert im Gespräch mit unserem Korrespondenten Werner Kolhoff, warum er Rufe nach einem Rückzug für verfrüht hält.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage in Afghanistan?

Schockenhoff: Die Sicherheitslage ist eindeutig schwieriger geworden, auch im Norden. Deswegen ist eine militärische Verstärkung sinnvoll. 2009 finden zudem Präsidentschaftswahlen statt. Gerade in dieser Phase brauchen wir so viel Stabilität wie möglich.

Ist die Erhöhung auf 4500 Bundeswehrsoldaten nicht wieder nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

Schockenhoff: Es ist klar, dass wir mit dieser Zahl nicht auf Dauer Stabilität und Sicherheit in einem so großen Gebiet gewährleisten können. Das müssen die afghanischen Sicherheitskräfte selbst leisten, deren Aufbau und Einsatz wir nach Kräften unterstützen. Der Kampf in Afghanistan kann nicht allein militärisch gewonnen werden, weshalb gerade die zivilen Anstrengungen verstärkt werden müssen.

Aber beim Aufbau der afghanischen Armee und Polizei hapert es.

Schockenhoff: Unsere Bündnispartner haben ihre Ausbildungskontingente erheblich erhöht, am meisten leisten die USA. Deutschland stellt zukünftig zwei zusätzliche Ausbildungsteams für die afghanische Armee. Außerdem hat die EU die Zahl ihrer Polizeiausbilder verdoppelt. Es ist klar: Wenn wir die angestrebten Aufbauziele nicht schneller erreichen, dauert unser Einsatz umso länger.

Wann können sich die internationalen Truppen wieder aus Afghanistan zurückziehen?

Schockenhoff: In dem Maße, in dem die afghanischen Sicherheitskräfte Stabilität und Sicherheit gewährleisten können, so dass von Afghanistan keine Bedrohung mehr ausgeht, können wir uns zurückziehen. Angesichts der neuen Lage vor Ort wäre es fahrlässig, dafür ein konkretes Datum zu nennen. Vielmehr geht es darum, diesen Zustand zu erreichen. Ich kann nur nochmals betonen, dass wir ihn umso schneller erreichen, je mehr wir alle - die internationale Gemeinschaft und die afghanische Regierung - bereit sind, zu tun.

Ist auch eine neue politische Strategie notwendig, etwa die Einbeziehung der Taliban?

Schockenhoff: Alle, die bereit sind, am Aufbau eines demokratischen und rechtsstaatlichen Afghanistan mitzuwirken, müssen in den Dialog einbezogen werden. Jene aber, die eine solche Stabilität nicht wollen, können nicht Partner sein. Deswegen muss man differenzieren. Ich würde es eher nach Volksgruppen definieren: Alle müssen an einer neuen Machtbalance beteiligt sein.

Vielleicht ist Demokratie in Afghanistan anders als bei uns.

Schockenhoff: Natürlich wird Afghanistan ein Demokratiemodell haben müssen, das den gewachsenen Strukturen, vor allem den Clanstrukturen, entspricht. Entscheidend ist die Gewährleistung der Rechtsstaatlichkeit, der Bürger- und Freiheitsrechte sowie der Rechte der Volksgruppen.

Können Sie der Mutter oder Ehefrau eines deutschen Soldaten guten Gewissens erklären, warum Sie ein weiteres Mal für den Einsatz stimmen werden?

Schockenhoff: Ja, auch wenn ich mir diese Entscheidung nicht leicht mache. Der Einsatz ist verantwortbar, weil die Alternative für alle, auch für uns Deutsche, wesentlich gefährlicher wäre. Die Alternative wäre, dass von Afghanistan aus wieder Terror organisiert würde und Afghanistan zum scheiternden Staat würde. Wir haben ein ureigenes Interesse daran, den Kampf dort zu führen, wo die Wurzel der Bedrohung für uns liegt.

Zur Person Dr. Andreas Schockenhoff ist seit 2005 Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und seit 2006 Koordinator für die deutsch-russische zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit beim Auswärtigen Amt.

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