Kampf an zwei Fronten

TRIER. Er kann sich kaum noch bewegen, kaum sprechen, kann nur im Bett liegen. Michael Wagner leidet an Demenz und Parkinson, seine Frau pflegt ihn und kämpft mit der Pflegeversicherung.

"Hast du Schmerzen?" Nur ein Gurgeln ist zu verstehen.Mechthilde Wagner versteht es: "Er scheint im Moment ohneSchmerzen zu sein", sagt die 69-Jährige während sie die Bettdeckeaufschüttelt und ihrem Mann über die Hand streicht. Seit zweiJahren ist Michael Wagner ein Pflegefall. "Hochgradige Demenz,Morbus, Parkinson, Inkontinenz" hat das medizinische Gutachtenvor einem Jahr bei dem 78-Jährigen diagnostiziert. Wagner liegt bewegungsunfähig in seinem Krankenbett, zu Hause in einem Mehrfamilienhaus in Trier. Er kann kaum reden, schon zwei Mal musste er wegen Liegegeschwüren operiert werden. Das Ehepaar musste vor kurzem umziehen in die ebenerdige, eingeschossige Wohnung Ihre alte Wohnung war nicht geeignet für die Pflege des Schwerstkranken.

Die Pflege ihres Mannes kam für die lebensfrohe Rentnerin plötzlich. Nach einem Schlaganfall, wurde Parkinson und Demenz bei ihm festgestellt: 2. Pflegestufe, schwer pflegebedürftig. Danach braucht er mindestens zwei Mal am Tag Hilfe beim Waschen, beim Essen oder beim Bewegen. Der Aufwand für die Pflege muss im Schnitt am Tag mindestens drei Stunden betragen. So will es der Gesetzgeber, unabhängig wie die Belastung der pflegenden Angehörigen ist. Mechthilde Wagner ist am Ende ihrer Kräfte. "Seit acht Monaten war ich nicht mehr länger aus dem Haus. Ich bin Tag und Nacht in Bereitschaft. Richtig geschlafen habe ich seit zwei Jahren nicht mehr", sagt sie. Laufend muss sie die Windeln ihres Mannes wechseln, ihn sauber machen, füttern. Allein fürs Waschen und Füttern braucht sie täglich zwei Stunden. Drei Mal in der Woche hilft ihr ein privater Pflegedienst. Mechthilde Wagner musste ihren Tagesablauf für das medizinische Gutachten genau festhalten. "Ich habe kaum noch was vom Leben."

Im vergangenen Jahr hat sie die Eingliederung in die dritte Pflegestufe beantragt. Das Gutachten, des medizinischen Diensts kam zwar zum Schluss, dass sich "der Allgemeinzustand des Versicherten weiter verschlechtert, der Hilfsbedarf weiter angestiegen" sei. Doch durch die Versorgung mit Dauerkathetern sei die Pflege erheblich erleichtert worden. Eine "pflegestufenrelevante Änderung des Allgemeinzustandes" sei nicht mehr zu erwarten. Die 69-Jährige hat Widerspruch eingelegt. Die AOK, bei der Wagner versichert ist, verteidigt das Gutachten: "Der Gesundheitszustand hat sich sicherlich in letzter Zeit verschlechtert, und die Zeit der allgemeinen Betreuung und Zuwendung ist gestiegen. Die Pflegeversicherung berücksichtigt jedoch lediglich die Zeiten der notwendigen reinen Pflegemaßnahmen", erklärt Ewald Merten, Leiter der AOK-Regionaldirektion Trier. "Die Pflegenden sehen oftmals den Gesamtaufwand für die Betreuung, der aber von der Pflegeversicherung nicht anerkannt wird." Für die Pflegestufe III würden täglich 240 Minuten an Grundpflege benötigt. "Diese Zeit wird leider bei Herrn Wagner nicht erreicht", erklärt Merten. Doch Mechthilde Wagner gibt sich kämpferisch: "Ich will endlich Gerechtigkeit. Ich werde nicht aufgeben."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort