Kanzler in der Kritik: Alles oder Nichts

BERLIN. (BB) Von vorösterlicher Ruhe ist bei der SPD nichts zu spüren, es brodelt weiter in der Partei. Auch nach dem Treffen von sechs Kanzler-Kritikern mit SPD-Fraktionschef Franz Müntefering blieb die Lage gespannt.

Die Gegner des Reformkurses der Bundesregierung zeigten sichstandhaft und beharrten auf ihrem Mitgliederbegehren. Auf deranderen Seite ließ auch der Fraktionsvorsitzende keinerleiKompromissbereitschaft erkennen. Damit fahren jetzt zwei Zügeaufeinander los, die zum Sonderparteitag der SPD am 1. Junifrontal kollidieren könnten. Sechs der Initiatoren des Mitgliederbegehrens ("Wir sind die Partei!"), die Bundestagsabgeordneten Rüdiger Veit, Ottmar Schreiner, René Röspel, Sigrid Skarpelis-Sperk, Christine Lucyga und Florian Pronold waren der Einladung Münteferings gefolgt, der selbst seine Stellvertreter Gernot Erler, Michael Müller und Hans-Joachim Hacker mitgebracht hatte. Offiziell war es ein "kollegiales, vernünftiges Gespräch" (Müntefering), tatsächlich wurde es "in hartem Ton" geführt (Schreiner). Immerhin konnte der Fraktionsführer den Gegnern der "Agenda 2010" das Zugeständnis abringen, sich in der Frage der Mitgliederbefragung unter Umständen am Votum des Sonderparteitages zu orientieren.

Soll heißen: Wenn Bundeskanzler Gerhard Schröder den Kritikern doch noch ein Stück entgegen kommt und die geplanten "Grausamkeiten" (Kürzung Bezug Arbeitslosengeld, Zusammenlegung Arbeitslosenhilfe/Sozialhilfe, privatfinanziertes Krankengeld, Lockerung Kündigungsschutz) abmildert, und wenn die Delegierten einem solchen Kompromiss mit klarer Mehrheit zustimmen, könnte das Mitgliederbegehren womöglich noch abgeblasen werden. Damit wäre die Agenda, die Einheit der Partei, und nicht zuletzt die Zukunft des Kanzlers gerettet.

Bislang macht die Regierungs- und Parteispitze aber keine Anstalten, von ihrer Position abzuweichen. Die Reformen seien "unverzichtbar und ohne Alternative", sagen Schröder, Müntefering und Generalsekretär Olaf Scholz seit Wochen wie programmierte Sprechmaschinen.

Fakt ist jedenfalls, dass die Parteilinke den "Fehdehandschuh, den die Regierung hingeworfen hat" (Ex-Juso-Chefin Andrea Nahles) aufgenommen hat. Die Verantwortung dafür hätten Schröder, Scholz und Müntefering zu tragen, sagte der Abgeordnete Klaus Barthel, weil sie die Kritiker nicht ernst genommen hätten. Deshalb habe ein Signal gesetzt werden müssen, auch gegenüber der "verzweifelnden Parteibasis".

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