"Kassen können auch Prämien zahlen"

Der Gesundheitsfonds, für den die Bundesregierung noch einen einheitlichen Beitragssatz festlegen muss, tritt zwar erst zum 1. Januar 2009 in Kraft. Die Kritik daran reißt jedoch nicht ab. Ein Vorwurf: Beitragsgünstige Kassen werden garantiert teurer.

Nach Einschätzung der Parlamentarischen GesundheitsStaatssekretärin Marion Caspers-Merk (SPD) können Versicherte in bislang beitragsgünstigen Kassen auf Beitragsrückerstattungen hoffen. Mit Caspers-Merk sprach unser Korrespondent Stefan Vetter.

Nach derzeitigen Erkenntnissen könnte der durchschnittliche Kassensatz von heute 14,9 auf bis zu 15,8 Prozent steigen. Eine realistische Größe?

Caspers-Merk: Nein. Das ist deutlich zu hoch gegriffen. In der gesetzlichen Krankenversicherung bedeuten 0,9 Prozentpunkte Mehrausgaben von umgerechnet neun Milliarden Euro. Selbst wenn man die absehbaren Ausgabensteigerungen bei Arzneien, ärztlichen Honoraren und die politisch gewollten Verbesserungen im Krankenhausbereich berücksichtigt, kommen wir nicht auf diese Größenordnung.

Wann legt die Regierung den Einheitsbeitrag fest?

Caspers-Merk: Der Beitragssatz wird von der Bundesregierung bis zum 1. November festgelegt. Entscheidend sind die Ausgaben der gesetzlichen Kassen im zweiten Quartal 2008. Da die Zahlen noch nicht vorliegen, lässt sich noch keine seriöse Beitragshöhe ermitteln.

Aber teurer wird es auf jeden Fall?

Caspers-Merk: Teurer wird Gesundheit schon allein deshalb, weil in einer älter werdenden Gesellschaft die Kosten dafür steigen. Steigende Ausgaben bei Medikamenten oder in den Krankenhäusern müssen natürlich von den Beitragszahlern geschultert werden. Das hat nichts mit der Einführung des Gesundheitsfonds zu tun.

Trotzdem sind Versicherte in preisgünstigen Kassen die großen Verlierer, weil der künftige Einheitsbeitrag auf jeden Fall höher liegen wird.

Caspers-Merk: Der Beitragssatz wird so festgelegt, dass der gesetzlichen Krankenversicherung im nächsten Jahr 100 Prozent der erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen. Eine Kasse, die jetzt einen günstigen Beitragssatz hat, kann ihren Versicherten Prämien auszahlen und damit werben. Kassen, die mit dem Geld nicht auskommen, müssen individuelle Zusatzbeiträge erheben.

Glauben Sie wirklich an Rückerstattungen? Die Kassen dürften das Geld eher zusammenhalten, um aus Wettbewerbsgründen eine Erhebung von Zusatzbeiträgen so lange wie möglich zu verhindern.

Caspers-Merk: Aber wenn eine Kasse sparsam wirtschaftet, dann kann sie gerade aus Gründen des Wettbewerbs mit Rückerstattungen werben.

Die Wirtschaft kritisiert, dass von eventuellen Rückzahlungen nur Arbeitnehmer profitieren, obwohl die Arbeitgeber an der Beitragszahlung mitbeteiligt sind.

Caspers-Merk: Wir haben für die Arbeitgeber eine deutliche Entlastung vorgenommen, indem die Arbeitnehmer 0,9 Prozentpunkte vom Gesamtbeitrag allein bezahlen. Von den 14,9 Prozent Beitrag tragen die Arbeitgeber nur sieben Prozent paritätisch mit. Das wird in den Führungsetagen der Betriebe leider immer vergessen.

Welchen Sinn macht der Gesundheitsfonds, wenn für viele Versicherte der Beitrag erst einmal steigt?

Caspers-Merk: Mit dem Fonds haben wir die Chance, die Beitragsgelder und die jährlich anwachsenden Zahlungen aus dem Steuertopf gerechter unter den Kassen zu verteilen. Der Fonds bringt mehr Transparenz in den Wettbewerb. Die Kassen müssen sich erstmals aktiv in das Versorgungs-Management einbinden. Bislang kümmern sie sich eher um die Versicherung von Gesunden.

Was heißt das?

Caspers-Merk: Ein Beispiel: Ein Diabetiker, der gut versorgt ist und weniger ins Krankenhaus muss, wird über den Finanzausgleich, den seine zuständige Kasse erhält, ausreichend finanziert. Aber ein Diabetiker, der nicht gut eingestellt ist, kommt die Kasse teurer. Also muss die Kasse an einer optimierten Versorgung interessiert sein. Nur so bekommen wir mehr Effizienz ins System.

Zur Person

Marion Caspers-Merk (53, Foto: privat) war von 2005 bis Oktober 2007 Mitglied des SPD-Parteivorstands. Von 2001 bis 2005 war sie Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Im Oktober 2002 wurde sie von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt zur Parlamentarischen Staatssekretärin berufen. In dieser Funktion wirkt sie auch im Kabinett der Großen Koalition.

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