Katastrophale Folgen

TRIER. Deutschland darf nicht noch mehr Porzellan innerhalb der Nato zerschlagen, warnt der ehemalige Verteidigungsminister Rupert Scholz (CDU) im TV -Interview.

Deutsche Soldaten nehmen an Awacs-Aufklärungsflügen über der Türkei teil, obwohl die Bundesregierung eine Teilnahme am Krieg verweigert. Scholz: Das ist eine schwierige Situation. Soweit die Awacs-Flüge zur Beobachtung der Situation in der Türkei dienen, beruht dies rechtlich auf der Nato-Bündnis-Pflicht. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Türkei im Nordirak einmarschiert, solange die Awacs-Flugzeuge nur über der Türkei fliegen. Sollten sie aber auch zur Aufklärung im Irak eingesetzt werden und Daten sammeln, die im Krieg verwendet werden, dann trägt das Nato-Bündnis nicht hinlänglich. Dann brauchen wir einen Beschluss des Bundestages. Kann die Bundesregierung die deutschen Soldaten aus den Awacs-Maschinen abziehen? Scholz: Nein. Die deutschen Soldaten in den Awacs-Flugzeugen sind voll integrierte Be-standteile des Aufklärungssystems. Wenn man diese Soldaten abzöge, würde dies innerhalb der Nato katastrophale Folgen haben. Deutschland müsste dann damit rechnen, auch innerhalb der Nato nicht mehr als verlässlicher Bündnispartner zu gelten. Aber wäre es überhaupt rechtlich möglich? Scholz: Rechtlich wäre es möglich, aber ist unvorstellbar. Das gleiche gilt auch für den von Verteidigungsminister Struck angedrohten Abzug der Patriot-Raketen aus der Türkei. Am Freitag wurden weitere deutschen Soldaten nach Kuwait abkommandiert. Wie sehen Sie da die rechtliche Situation? Scholz: Diese Soldaten sind ausschließlich in Kuwait eingesetzt und haben keine aktive Rolle bei Kampfhandlungen, und insofern ist das keine Kriegsbeteiligung. Einige grüne Politiker haben gefordert, den amerikanischen Streitkräften die Überflugrechte über Deutschland zu entziehen. Scholz: Deutschland kann die Überflugrechte nicht verweigern. Das wäre mit den amerikanischen Stationierungsabkommen nicht vereinbar. Das gleiche gilt auch für die Nutzung der amerikanischen Basen in Deutschland. Die Amerikaner haben das volle Verfügungsrecht über diese Einrichtungen. Welches Bild gibt die Bundesregierung in Sachen Irak-Krieg derzeit ab? Scholz: Die Bundesregierung hat viel Schaden angerichtet, weil sie von Anfang an auch als Mitglied des UN-Sicherheitsrates erklärt hat, dass sie einem Militärschlag keinesfalls zustimmen wird. Deutschland hat den notwendigen militärischen Druck aufSaddam Hussein durch die USA und Großbritannien mit seiner Verweigerung aber grundlegend verwässert. Aber Ihre Partei hat ja auch nicht unbedingt alles getan hat, um den Krieg zu verhindern. Scholz: Die Union hat richtigerweise ihre politische Solidarität mit den USA erklärt. Amerika ist und bleibt unser wichtigster Bündnispartner. Das bedingt, auch wenn wir nicht am Krieg teilnehmen, ein Höchstmaß an Unterstützung. Warum hat sich dann die Union nie zu einem Kriegseinsatz bekannt? Scholz: Wir haben immer klar erklärt, dass wir den Krieg bedauern. Es ist völlig falsch, dass die Union für einen Krieg gewesen wäre. Wir haben eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass wir für eine friedliche Entwaffnung des Irak waren. Diese Entwaffnung durch militärischen Druck hat die Bundesregierung aber verhindert. Hätte es also unter einer CDU-Bundesregierung einen Kriegseinsatz gegeben? Scholz: Unter einer CDU-geführten Bundesregierung hätte Deutschland im Bündnis, innerhalb der UN und auch in der EU, eine konstruktive und voll partnerschaftliche Rolle übernommen. Welche Konsequenzen dies militärisch gehabt hätte, lässt sich nach den aktuellen Entwicklungen aber nicht eindeutig beantworten. * Das Interview führte unser Redakteur Bernd Wientjes

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