Kein Einsatz für Sheriff Schily?

BERLIN. Ungeachtet heftiger Widerstände der Opposition will Rot-Grün den Visa-Ausschuss wegen der geplanten Neuwahl vorzeitig beenden.

Es ist gerade einmal fünf Wochen her, dass die allgemeine Aufregung über die Visa-Affäre zum spektakulären Medienereignis wurde. Damals musste Außenminister Joschka Fischer vor laufenden Kameras zur Rolle der rot-grünen Visa-Politik bei der massenhaften Erschleichung von Reisedokumenten Stellung nehmen. Inzwischen sind die Scheinwerfer auf ein anderes Reizthema gerichtet: Neuwahlen. Ein vorzeitiges Ende der Legislaturperiode passt der Opposition natürlich bestens ins Konzept. Ganz und gar nicht erbaut ist sie dagegen über das vorzeitige Ende des Visa-Untersuchungsausschusses. "Eine Unverschämtheit gegenüber der Minderheit", nannte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen, das Vorhaben von SPD und Grünen, die Zeugenbefragung heute mit der regulären Sitzung einzustellen. Ihrer Empörung machten Union und FDP gestern auch in einer Aktuellen Stunde im Bundestag Luft. Dabei drohten beide Parteien mit einer Klage beim Bundesverfassungsgericht. Mehr als 20 Mal hat der Untersuchungsausschuss bereits getagt. Und nach dem vormals einhellig beschlossenen Zeitplan wären noch acht weitere Sitzungen zur Beweisaufnahme fällig gewesen, in denen hochrangige Beamte die lasche Visa-Praxis an deutschen Auslandsvertretungen in Osteuropa erhellen sollten. Als Höhepunkt galt der Auftritt von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) am 8. Juli. Von ihm erhoffte sich die Union eine Menge Wahlkampfmunition, weil der "rote Sheriff" Details über diverse Visa-Streitigkeiten mit Fischer ausbreiten könnte. Wegen der absehbaren Neuwahlen am 18. September glauben Sozialdemokraten und Grüne nun, einen eleganten Dreh gefunden zu haben, der Opposition diese Tour zu vermasseln. Der SPD-Obmann Olaf Scholz führte dazu ein Gutachten des Ausschuss-Sekretariats ins Feld, aus dem hervorgeht, dass die Beweisaufnahme im Interesse eines notwendigen Sachstandsberichts umgehend ein Ende finden muss. Die Verfasser berufen sich dabei auf einen Passus im Gesetz zur Arbeit des Untersuchungsausschusses. Sicher ist, dass die Beschlussfassung für einen Abbruch der Zeugenbefragung schon heute über die Bühne geht. Denn SPD und Grüne verfügen im Untersuchungsausschuss über eine Mehrheit.

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