Kein Zurück zum Rohrstock

BERLIN. Schüler haben keine Disziplin mehr, beklagt Bremens Schulsenator Willi Lemke (SPD). Auch die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Eva-Maria Stange, fordert im Gespräch mit unserer Zeitung klarere Regeln in den Schulen. Von einer Kleiderordnung hält Stange nichts.

 Gegen Gewalt an Schulen lässt sich etwas tun. Im TV -Interview fordert die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Eva-Maria Stange, Programme zur Streitschlichtung.Foto: TV-Archiv/Ludwig Hoff

Gegen Gewalt an Schulen lässt sich etwas tun. Im TV -Interview fordert die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Eva-Maria Stange, Programme zur Streitschlichtung.Foto: TV-Archiv/Ludwig Hoff

Haben die deutschen Schüler kein Benehmen mehr? Stange: Die Schulen, die mit ihren Schülern gemeinsam so etwas wie eine Hausordnung über den Umgang miteinander erarbeitet haben, fahren derzeit zweifellos besser. Was wir wieder benötigen sind, klare Regeln. Aber dazu braucht es eine Verständigung zwischen Eltern, Lehrern und Schülern.Es gibt doch bereits gewachsene, anerkannte Regeln des Umgangs miteinander - wozu also neue? Stange: Wir leben nicht mehr in einer Zeit der Disziplinierung mit dem Rohrstock. In unserer Gesellschaft ist doch generell eine Situation eingetreten, in der wir uns neu darüber einigen müssen, wie wir miteinander umgehen.Kommen die Eltern ihrer Verantwortung in dieser Frage noch nach oder wird alles auf die Schule abgewälzt? Stange: Pauschal würde ich den Eltern keine Verantwortungslosigkeit zuschreiben. Viele Eltern sind heute jedoch durch andere Anforderungen in der Arbeitswelt oder durch Arbeitslosigkeit mit sich selbst so sehr beschäftigt, dass Kinder oftmals eben auch sich selbst überlassen sind. Das ist das Problem.Manchem sind die Klamotten des Nachwuchses inzwischen ein Dorn im Auge. Plädieren Sie für eine Kleiderordnung? Stange: Wenn ich mich an meine Schulzeit erinnere, da kam gerade die Mini-Mode auf. Da haben meine Eltern auch die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Ich finde die Diskussion abenteuerlich. Natürlich gibt es Anstandsregeln, wie sich jeder kleiden sollte, ohne anstößig zu wirken. Darüber sollte man sicher auch in der Schule reden. Aber völlig abwegig ist es, über kurze Tops zur debattieren. Da gab es schon schlimmere Moden.Eine Pflicht zur Schuluniform könnte das Problem doch lösen, oder? Stange: Alle Experimente zur Schuluniform, die in Deutschland freiwillig durchgeführt wurden, sind gescheitert. Weil es keine Kultur dazu in unserem Land gibt. Was ich für notwendig halte, ist jedoch, dass in den Klassen, vor allem in den kritischen Altersjahrgängen über Ausgrenzungen geredet wird, weil jemand keine Markenklamotten trägt.Rohe Gewalt und sinnlose Zerstörungswut nehmen an vielen Schulen zu. Was kann man dagegen tun? Stange: Da hilft nur frühzeitige Konfliktprävention. Streitschlichter-Programme sind beispielsweise sehr erfolgreich. Wir müssen so früh wie möglich Kindern beibringen, wie man mit Konflikten gewaltfrei umgeht. Das ist aber nicht immer einfach, wenn Kinder mehr denn je im Elternhaus Gewalt erleben. /seyS Mit Eva-Maria Stange sprach unser Berliner Korrespondent Hagen Strauß.

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