Kein großer Knall

BERLIN. Die CDU schont ihre Chefin: Bei der internen Wahlkampfkritik kam Kanzlerin Angela Merkel am Montag ungeschoren davon.

Unmittelbar vor den gestrigen Gremiensitzungen der CDU diktierte Angela Merkel den Journalisten ihre Erwartungen in die Notizblöcke: Sie gehe von einer "zukunftsgerichteten Aussprache" aus, die auch auf das erfolgreiche Abschneiden bei den weiteren Landtagswahlen gerichtet sein müsse. Sprach's und entschwand ins Konrad-Adenauer-Haus. Dort ging es dann zwar nicht ganz so harmonisch zu. Immerhin hatten sich Präsidium und Vorstand mehr als sieben Stunden lang etwas zu sagen, was für CDU-Verhältnisse äußerst ungewöhnlich ist. Aber der große Knall blieb aus. Dabei sollte es eigentlich ein Tag der Abrechnung werden. Nachdem der CDU-Chefin eine Fehlerdiskussion über das schlechte Abschneiden ihrer Partei bei der jüngsten Bundestagswahl zunächst überhaupt nicht opportun erschienen war, hatte sie sich Ende Oktober dem innerpartlichen Druck gebeugt und eine entsprechende Debatte für diesen Montag zugesagt. Schon im Vorfeld gewann die Diskussion kräftig an Fahrt. Zu technokratisch sei das Wahlprogramm gewesen, zu emotionslos die Wähleransprache, keine Botschaft mit Durchschlagskraft. Mit solchen unverblümten Gedanken fütterten Spitzen-Unionsleute wie Peter Müller, Roland Koch und Jürgen Rüttgers die Medien. Eine Kritik, die sich hinter verschlossenen Türen fortsetzte, ohne die Hauptverantwortliche, Angela Merkel, jedoch beim Namen zu nennen. "Die Partei steht absolut geschlossen hinter der Kanzlerin", versicherte Vorstandsmitglied Friedbert Pflüger. Gleich 30 Kollegen des rund 50 Mitglieder zählenden Führungsgremiums hatten in der Aussprache ums Wort gebeten. Dabei zeichneten sich zwei unterschiedliche Befunde ab: Die einen empfanden das Wahlprogramm als goldrichtig, aber seine Vermittlung als mangelhaft. Anderen war das zu einfach. Sie vermissten bei den inhaltlichen Aussagen insbesondere die soziale Komponente. Belege für eine soziale Symmetrie hätten schlicht gefehlt, hieß es zum Beispiel im Hinblick auf die vormals geplante Besteuerung von Feiertags- und Nachtzuschlägen. Saarlands Ministerpräsident Peter Müller hatte seine Bedenken in einem fünfseitigen Positionspapier formuliert. Darin heißt es: "Die Wahlen haben deutlich gemacht, dass es eine gesellschaftliche Mehrheit für eine wirtschaftsliberale Reformpolitik ohne soziale Wärme, Herz und Vision in Deutschland nicht gibt." Angela Merkel räumte ein, dass es bei der CDU-Programmatik "um mehr als ein Vermittlungsproblem" gehe. Die Union müsse breitere Milieus als bisher ansprechen. Den Partei-Slogan "Sozial ist, was Arbeit schafft" nannte Merkel zwar weiterhin als richtig. Aber für Rentner oder allein stehende, arbeitslose Mütter brauche es dazu eben doch einen "Erklärungsbogen". An einem "Wahlkampf der Ehrlichkeit", der den Bürgern immerhin eine Anhebung der Mehrwertsteuer zugemutet hatte, will Merkel dagegen festhalten. Wortkarg wurde sie, als Journalisten in Sachen Edmund Stoiber nachbohrten. Dem Vernehmen nach wurde der CSU-Chef hinter verschlossenen Türen für seine Alleingänge im Wahlkampf noch einmal heftig kritisiert. Doch für Merkel war es offenbar müßig, darüber zu diskutieren.

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