Kein umweltpolitisches Profil

BERLIN. (dpa) Die deutschen Umweltverbände schlagen Alarm: Sie bemängeln das Fehlen ökologischer Themen im Wahlkampf. Vor allem im Programm der Union sehen die Ökologen Schwachpunkte.

Eben noch bestimmte das Hochwasser in Bayern die Schlagzeilen. Inzwischen sorgen die verheerenden Folgen des Hurrikans "Katrina" für Entsetzen und Anteilnahme. Im deutschen Wahlkampf ist die Ökologie kaum ein Thema. Das sorgt besonders bei den Umweltverbänden für Verdruss. Führende Öko-Aktivisten befürchten gar eine umweltpolitische Rolle rückwärts, falls die Union im Herbst das Regierungsruder übernimmt. CDU und CSU ließen "jegliches umweltpolitische Profil vermissen", klagt der Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR), Hubert Weinzierl. Nach Ansicht des Kampagnen-Geschäftsführers von Greenpeace, Roland Hipp, könnte die Politik "in Zeiten zurück fallen, wo die Ökologie massiv gegen die Ökonomie gestellt wurde". Auch Angelika Zahrnt, Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), sieht "fahrlässige Leerstellen in den Programmen der konservativen Parteien". Tatsächlich ist es um das umweltpolitische Profil der Opposition nicht gut bestellt. Im so genannten Kompetenzteam der Union ragt der Steuerfachmann Paul Kirchhof heraus. Um einen ausgewiesenen Umweltexperten hat sich die ehemalige Umweltministerin, Angela Merkel, erst gar nicht bemüht. Offiziell soll Unionsfraktionsvize Gerda Hasselfeldt das Öko-Thema in Merkels Schattenkabinett beackern. Doch die frühere Bau- und Gesundheitsministerin ist dabei noch nicht aufgefallen. Ihr eigentliches Gebiet ist ohnehin die Landwirtschaft. "Da gibt es viele Berührungspunkte mit der Umwelt. Ich habe so einen umfassenden Blick", erklärte Hasselfeldt gestern in einem Interview. Auch in der Union selbst herrscht Unmut über die Berufung Hasselfeldts. Die Umweltpolitik im Kompetenzteam sei "auch diesmal leider nicht angemessen besetzt", befand der Chef des CSU-Umweltarbeitskreises, Josef Göppel, schon in der vergangenen Woche. Damit wiederhole sich ein "Fehler aus dem Wahlkampf 2002", so Göppel. Vor drei Jahren ließ der damalige Kanzlerkandidat Edmund Stoiber die umweltpolitische Zuständigkeit in seinem Kompetenzteam gänzlich unbesetzt. Ein Makel, der bei der Jahrhundertflut des Jahres 2002 offen zu Tage trat. Ein spezielles Umweltkapitel sucht man im Wahlprogramm der Union vergeblich. Gleichwohl finden sich darin Anhaltspunkte, die die Umweltverbände in ihren Befürchtungen bestätigen. So soll zum Beispiel der von Rot-Grün initiierte Atomausstieg wieder rückgängig gemacht werden. Nach dem Plan der Schröder-Regierung würde der letzte Atommeiler im Jahr 2020 vom Netz gehen. Bei der Union heißt es dagegen: "Die Betriebsdauer der deutschen Kernkraftwerke wird sich ausschließlich an der Gewährleistung des größtmöglichen Sicherheitsniveaus jeder Anlage orientieren". Merkels erklärter Wirtschaftsberater, Heinrich von Pierer, hält dabei eine Laufzeitverlängerung auf 60 Jahre für machbar. Auch Hasselfeldt betonte, längere Laufzeiten seien "gut für den Klimaschutz, weil Atomkraftwerke kaum Kohlendioxid ausstoßen". Greenpeace-Geschäftsführer Hipp rechnet dagegen vor, dass in den kommenden Jahrzehnten etwa 60 Kernkraftwerke zusätzlich in Deutschland gebaut werden müssten, um spürbare Klimaeffekte zu erzielen. Überdies sei eine deutliche Laufzeitverlängerung mit enormen Kosten bei den Sicherheitsstandards verbunden. "Genau dieses Geld fehlt dann für die dringend notwendige Entwicklung zukunftsfähiger Energien", unterstreicht Hipp. Die Union bekennt sich im Wahlprogramm zwar zu erneuerbaren Energien wie Sonne- oder Windkraft. Andererseits soll aber "ihre zum Teil exorbitante Subventionierung" reduziert werden.

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