Keine Angst vorm Alter

Wann ist man eigentlich alt? Muss man Angst vor dem Alter haben? Darüber und über das heutige Bild der Alten sprach unser Redakteur Bernd Wientjes mit dem aus Trier stammenden Altersforscher und Buchautor Peter Borscheid.

 Keine Angst vorm Alter: Heutzutage haben ältere Menschen viel mehr Freiräume als früher. Foto: gms

Keine Angst vorm Alter: Heutzutage haben ältere Menschen viel mehr Freiräume als früher. Foto: gms

Trier. (wie) Peter Borscheid ist Wirtschafts- und Sozialhistoriker. Geboren wurde er 1943 in Trier. Er lehrt Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Philipps-Universität in Marburg und leitet das dortige Institut für interdisziplinäre Gerontologie und angewandte Sozialethik. Derzeit arbeitet Borscheid mit am Altersbericht des Bundesfamilienministeriums. Ab und zu kommt er noch nach Trier. Wie hat sich das Bild der Alten gewandelt? Borscheid: Sehr positiv, auch wenn man es kaum glauben mag. Sie sind nicht mehr in ein Zwangskorsett von Normen eingebunden. Was ältere Menschen machen, wie sie sich anziehen, berührt niemanden mehr. Sie haben einen großen Freiraum im Alter, sie reisen viel, haben jede Menge Hobbys. Wann ist man denn überhaupt alt? Borscheid: Heute ist man alt, wenn man aus dem Berufsleben ausscheidet, in Rente geht. Früher war man alt, wenn man sich alt gefühlt hat, wenn man nicht mehr konnte. Allerdings gibt es nicht die Alten. In keiner Alterstufe gibt es so große Unterschiede im Aussehen, wie im Alter. Man kennt das von Klassentreffen, bei dem einen meint man, er kommt mit seinem Vater, der andere mit dem Sohn, dabei sind es alles ehemalige Klassenkameraden. Aber ein 65-Jähriger wird sich in der Regel doch nicht als alt bezeichnen? Borscheid: Wir haben in der Tat eine neue Lebensphase, das sogenannte vierte Alter, die Pflegephase. Die hat es in der Geschichte bislang so nicht gegeben. Wenn man früher krank wurde im Alter, war Schluss. Durch moderne Medizin, gesündere Ernährung und Ersatzteile im Körper leben wir heute länger. Allerdings gibt es eine Grenze, zwischen 82 und 85, wo aus den bis dahin fitten Alten meist kranke, pflegebedürftige Menschen werden. Oft setzt dann auch die Demenz ein. Diese Phase hat die Medizin noch nicht im Griff. Es wird noch daran gearbeitet, in dieser Phase eine bessere Lebensqualität zu erreichen.Wird das nicht zunehmend eine Belastung für die Gesellschaft? Borscheid: Noch kommen wir ganz gut damit klar, weil die Pflegephase noch überwiegend durch die Familie getragen wird. Also die sogenannte Sandwichgeneration, die, die gerade in Rente gegangen sind und ihre alten Eltern pflegen. Problematisch wird es bei den jüngeren Jahrgängen, den kinderlosen Singles, die sehr mobil sind und weit weg wohnen von ihren Eltern. Keine schönen Aussichten. Also ist Altwerden doch nicht so verlockend. Borscheid: Die meisten brauchen keine Angst vor dem Alter, also bis sagen wir zu 85 haben. Bis dahin geht es den allermeisten gut. Danach beginnt in der Tat eine problematische Phase, die allerdings nicht so sehr die dementen Alten betrifft. Die merken vieles nicht. Es ist viel mehr ein Problem der Jüngeren, die die Alten pflegen müssen. Womöglich arbeiten sie noch, müssen aber für ihre Eltern aufkommen. Das kann schnell zum finanziellen Problem werden. Nun beginnt aber diese erste Phase immer später, Stichwort: Rente mit 67. Eine logische, eine richtige Entwicklung? Borscheid: Ja. Wir dehnen doch die einzelnen Lebensphasen immer mehr aus, die Kindheit, die Jugend etwa über längere Ausbildungszeiten an Hochschulen, auch das Alter wird immer länger. Dadurch hat sich aber die Zeit, in der wir tatsächlich produktiv sind und für die alten Menschen über die Sozialversicherung etwas bezahlen, deutlich verkürzt. Das geht nicht. Zumal wir heute in den allermeisten Berufen mit 65 so fit sind wie unsere Großväter mit 50. Das Alter dauert immer länger, heißt das, dass es den Alten auch finanziell immer schlechter gehen wird? Droht eine flächendeckende Altersarmut? Borscheid: Es wird vereinzelt Altersarmut geben, etwa bei heutigen Scheinselbstständigen, die nicht in die Sozialversicherung einzahlen und bei Menschen, die lange arbeitslos waren. Das sind die großen Problemgruppen. Bei den meisten anderen wird sich der Lebensstandard im Alter nicht deutlich verringern. Zwar steigen die Renten kaum noch, aber dafür wird immer mehr geerbt, vor allem Vermögen wird vermacht. Daher wird es den künftigen Alten in der Regel eigentlich ganz gut gehen. Herr Borscheid, Sie sind ja auch bald im Rentenalter. Angst davor? Borscheid: Ich gehe mit viel Optimismus ins Alter. TV-Serie Der TV wird sich in den nächsten Wochen intensiv mit dem Thema Alter und Pflege in einer Serie beschäftigen. Dabei geht es unter anderem um die Leistungen der Pflegeversicherung, um Qualität von Pflegeheimen, um Ratschläge für Angehörige, wie man mit einem plötzlich eintretenden Pflegefall umgeht und darum, wie man gesund alt wird.

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