Keine Atomwaffen für die Mullahs

Berlin . Die Geduld der Europäer mit Teheran ist zu Ende. In einer Mischung aus Enttäuschung und Entschiedenheit gestand Frank-Walter Steinmeier (SPD) gestern auf einer Pressekonferenz in Berlin ein, dass "die Gespräche mit dem Iran zur Lösung des Atomstreits an einem toten Punkt angelangt sind".

"Wir sind unverändert dazu bereit, das Problem diplomatisch im multinationalen Rahmen mit friedlichen Mitteln zu lösen", betonte der Bundesaußenminister. Doch nach der "völlig unzureichenden Zusammenarbeit" des Iran mit der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) sei jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem der Weltsicherheitsrat eingeschaltet werden müsse, um den Beschlüssen der IAEO Geltung zu verschaffen. Empfindliche Bedrohung

Auch die beiden Außenminister von Großbritannien und Frankreich, Jack Straw und Philippe Douste-Blazy, die zum kleinen Iran-Krisengipfel nach Berlin gekommen waren, betonten gestern, es gebe leider keinen anderen Ausweg mehr. "Es läuft alles auf den Sicherheitsrat zu. Das scheint unvermeidbar zu werden, wenn es nicht noch ein Einlenken der iranischen Seite in letzter Sekunde gibt", stellte Gernot Erler (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt gestern bedrückt fest. Im Augenblick hätten im Iran "leider die Hardliner wie Präsident Mahmud Ahmadinedschad das Sagen, die offensichtlich auch eine Eskalation des Atomkonflikts einkalkulieren". Worum geht es? Die Machthaber in Teheran bestehen seit langem auf eine eigene iranische Atomindustrie. Als Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrages darf der Iran eine zivile Atomenergiepolitik unter Aufsicht der Atomenergie-Organisation betreiben. Lange Zeit hatte Teheran seine Atomanlagen aber geheim gehalten, was vor allem bei den USA und den Europäern den Verdacht hat wachsen lassen, die Mullahs wollten unter dem Deckmantel ziviler Atomtechnik in Wahrheit Nuklearwaffen entwickeln. Für den gesamten Nahen Osten, aber auch für Europa, wäre dies eine ganz empfindliche Bedrohung. Zumal das völlig unberechenbare Regime in Teheran über Lang- und Mittelstreckenraketen verfügt, die nicht nur Israel, Ägypten oder Saudi-Arabien, sondern auch weite Teile Europas erreichen könnten. Erhärtet wird der Verdacht dadurch, dass Teheran hartnäckig darauf besteht, im Iran über die gesamte Technologie zu verfügen, um Roh-Uran in einen Brennstoff für Atomkraftwerke umzuwandeln. Der Kern des Konflikts: In solchen Anreicherungsanlagen, die zum Brennstoffkreislauf gehören, lässt sich nicht nur ziviles, sondern auch militärisch nutzbares Uran herstellen. Und das wollen weder die Europäer noch die USA hinnehmen. In enger Absprache mit Washington hatten die Regierungen von Deutschland, Frankreich und Großbritannien (EU 3) deshalb unter operativer Federführung des damaligen Außenministers Joschka Fischer in beschwerlichen Verhandlungen versucht, Teheran zur Einstellung seines Anreicherungsprogramms zu überreden. In Abstimmung mit den EU 3-Ländern hatte Moskau einen Kompromiss zur Lösung des Konflikts vorgeschlagen: Der Iran darf Roh-Uran im eigenen Land in Gas umwandeln, muss dieses aber zur Anreicherung ins benachbarte Russland bringen. Somit wäre die Gefahr, dass Uran im Iran zu einem waffentauglichen Spaltstoff umgewandelt wird, gebannt. Strafmaßnahmen gegen den Iran

Doch nicht nur diesen Vorschlag wies Teheran jetzt schnöde ab, sondern entfernte am vergangenen Dienstag auch die vor zwei Jahren angebrachten Überwachungssiegel der Atomenergie-Organisation an seinen Kernkraftanlagen, darunter auch die Atomforschungseinrichtung in Natans, um dort womöglich wieder Zentrifugen zur Uran-Anreicherung "zu Forschungszwecken" in Betrieb zu nehmen. Das widerspreche, wie Steinmeier betonte, allen Abmachungen zwischen der IAEO und dem Iran. Auf dem gestrigen Krisengipfel der EU 3-Länder in Berlin, an dem auch der EU-Außenbeauftragte Javier Solana teilnahm, hatte der deutsche Außenminister noch einmal klar gemacht, dass Teheran durch seine jüngsten Erklärungen und Maßnahmen "eine Linie überschritten hat, die nicht ohne Folgen bleiben darf". Nachdem sich die EU-Troika und Solana darauf verständigt haben, dass sie angesichts der zugespitzten Iran-Krise eine Sondersitzung des Gouverneurrats der Internationalen Atomenergie-Organisation beantragen werden, ist die Marschroute klar: Die IAEO soll nach Prüfung der Lage zügig den UN-Sicherheitsrat anrufen. Dieser wiederum könnte Strafmaßnahmen gegen den Iran beschließen.

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