Keine Berührungsängste

TRIER. Typisch deutsch - was ist dran am Klischee von der Biertrinker- und Lederhosen-Nation? Der TV hat in den vergangenen Wochen in einer Kolumne Ausländer zur Wort kommen lassen, die die kleinen kulturellen Unterschiede zwischen ihrem Heimatland und Deutschland auf die Schippe nahmen. Zum Abschluss unserer Serie wirft Bernd Wientjes als Saarländer mit Herz einen Blick auf sein Verhältnis zum deutschen Umland.

"Der Deutsche denkt, der Saarländer schwenkt." Ein abgedroschener Spruch, der im Saarland aber gerne benutzt wird. Sagt er doch erstens etwas aus über das wichtigste Hobby der Saarländer: das Schwenken (die im Saarland beliebte Form des Grillens auf Holz oder Holzkohle auf einem dreibeinigen Schwenkgrill mit Feuerstelle in einer ausrangierten, halbierten Waschmaschinentrommel, das Grillgut heißt übrigens Schwenker). Und zweitens besagt dieser Spruch, dass sich die Saarländer nicht als Deutsche fühlen. Das legitimiert, warum ein Saarländer zum Abschluss in dieser Kolumne schreiben darf. Viele bezeichnen den Nationalstolz der Saarländer als übertrieben. Doch er ist begründet in der jahrelangen Sonderstellung des Saarlandes, einmal zu Frankreich zugehörig und dann als eigenständiges Land. Dieser Stolz schweißt zusammen. Undenkbar, dass sich ein Saarländer außerhalb seines Landes als Saarbrücker oder St. Ingberter vorstellt, er sagt zunächst, dass er Saarländer sei und dann erst antwortet er auf Nachfragen, wo er denn herkomme. Ein Trierer, Bitburger oder Wittlicher würde nie sagen, dass er Rheinland-Pfälzer geschweige denn Moselaner oder Eifeler ist. Ein Trierer ist ein Trierer, ein Bitburger ein Bitburger. Einem Saarländer ist es auch egal, woher sein Landsmann kommt. Er freut sich immer, wenn er ihn fernab der Heimat - und Ferne bedeutet, wenn man 100 Kilometer von zu Hause weg ist - trifft, egal von wo er kommt. Beide gehen aufeinander zu, reden, und man kann sicher sein, dass sie spätestens nach fünf Minuten mindestens einen gemeinsamen Bekannten gefunden haben. Saarländer haben keine Berührungsängste. Was man leider von den Leuten an der Mosel nicht immer sagen kann. Sie suchen sich oft sehr genau aus, mit wem sie ein Bier trinken, und sie brauchen lange, bis sie mit einem warm werden. Im Saarland undenkbar. Bevor man sich als Fremder versieht, sitzt man mit Einheimischen an der Theke oder vorm Schwenker und ist per Du mit allen. Apropos Dorffeste. Davon gibt es im Saarland jede Menge zu jeder Jahreszeit. Und dort wird auf Geselligkeit wert gelegt. Deswegen ist es undenkbar, dass etwa wie auf dem Trierer Altstadtfest weit und breit keine Bänke und Tische zu finden sind. Die Saarländer wollen auf einem Fest nicht herumlaufen, sie wollen sich hinsetzen, ihr Bier trinken und ihren Schwenker essen. Mit der Gemütlichkeit haben es die Trierer beim Feiern nicht so. Sie sind ständig in Bewegung - ob beim Moselfest oder beim Weinfest im Stadtteil Olewig. Gott sei Dank gibt es die gemütlichen Weinfeste an der Saar. Da fühle ich mich wohl. Man mag nun denken, warum ist er überhaupt hier, wenn er über die Moselaner, Eifeler und Hunsrücker meckert (was übrigens diese umgekehrt über die Saarländer auch liebend gerne tun). Ich fühle mich wohl hier. Nur eins wird sich auch nach fast 20-jährigem Wohnen in der Region nicht ändern: Ich bin und bleibe ein Saarländer. Wenn Bernd Wientjes nicht schwenkt oder gemütlich feiert, ist er Chefreporter des TV . Er wohnt mittlerweile in Rheinland-Pfalz, hat sich aber immerhin die Nähe zur Heimat bewahrt: Sein Wohnort Ayl liegt an der Saar.

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