Keine Chancen für "FDP pur"

BERLIN. Die FDP will eine umfangreiche Steuerreform mit einer Milliardenentlastung ohne Steuererhöhungen finanzieren. Die Erleichterungen von 17 bis 19 Milliarden Euro für Bürger und Unternehmen sollen durch Einsparungen und eine rigorose Streichung von Subventionen aufgebracht werden. Die FDP ist gegen Überlegungen in der Union, die Mehrwertsteuer zu erhöhen.

Die FDP will ihrem Ruf als radikale Steuersenkungspartei auch im anstehenden Bundestagswahlkampf alle Ehre machen. Als erste der etablierten Gruppierungen legten die Liberalen gestern ein durchgerechnetes Steuerkonzept vor, dass Bürger und Unternehmen netto um bis zu 19 Milliarden Euro entlasten soll. Die Kehrseite der Medaille sind allerdings extreme Einschnitte im Sozialbereich und in der Arbeitsmarktförderung. "Das ist FDP pur", strahlte ihr Finanzexperte Hermann Otto Solms - wohl wissend, dass eine gemeinsame Steuerreform mit der Union als Koalitionspartner sehr viel moderater ausfallen würde. Liberale sehen noch "genügend Reserven"

Der Staat taumelt zwar von einem Milliardenloch ins nächste, doch die FDP-Spitze ist davon überzeugt, dass die Haushalte noch "genügend Reserven" bieten, um den Bürger nachhaltig besser zu stellen und die bösen Geister einer Mehrwertsteueranhebung zu vertreiben. "Wer jetzt von Steuererhöhungen redet, gefährdet Strukturveränderungen bei staatlichen Transfersystemen und mindert den Druck auf die Kürzung staatlicher Ausgaben", heißt es in einem Präsidiumsbeschluss. Ginge es nach den Liberalen, dann hätten es die Bürger je nach Einkommen nur noch mit drei Steuersätzen (15, 25 und 35 Prozent) zu tun. Bei den Unternehmen soll nicht mehr zwischen den Rechtsformen unterschieden werden. Vielmehr greift auch hier ein Stufentarif von 15 und 25 Prozent. Das würde vor allem Personengesellschaften entlasten, für die heute die normalen Einkommenssteuersätze zwischen 15 und 42 Prozent maßgeblich sind. Im Gegenzug will die FDP sämtliche Steuersubventionen von den Feiertag- und Nachtzuschlägen über die Pendlerpauschale bis hin zur Absetzbarkeit des Arbeitszimmers oder einer doppelten Haushaltsführung beseitigen. Unter dem Strich sollen die Bürger aber immer noch 14 Milliarden Euro mehr in der Tasche haben. Das Entlastungsvolumen für die Unternehmen beläuft sich auf bis zu fünf Milliarden Euro. Eingedenk der Steuergeschenke setzen die Liberalen zugleich auf einen massiven Abbau der staatlichen Ausgaben. Hermann Otto Solms, der auch schon mal als künftiger Bundesfinanzminister gehandelt wird, kommt bei "äußerst vorsichtiger Bewertung" zu dem Schluss, dass aus dem Bundeshaushalt noch 35 Milliarden Euro herausgeschnitten werden könnten. Steuervereinfachung hat Vorrang

Allein eine Stunde Mehrarbeit ohne Lohnausgleich in der öffentlichen Verwaltung bringe dem Staat fünf Milliarden Euro. Der Bund profitiere dabei mit zwei Milliarden Euro, so Solms. Als wahrer Steinbruch erweist sich für die FDP die aktive Arbeitsmarktpolitik der Nürnberger Bundesagentur. Egal, ob Ein-Euro-Jobs, ABM , Ich-AG oder Personalserviceagenturen - solche Maßnahmen hätten "viel gekostet, aber wenig gebracht", heißt es im liberalen Steuerkonzept. "Allein die Abschaffung dieser unnützen Maßnahmen und Einrichtungen würde rund fünf Milliarden Euro einsparen". Bei einem möglichen Wahlsieg von Union und FDP dürften die liberalen Steuerpläne noch heftige Diskussionen auslösen. Das Wahlprogramm von CDU und CSU kommt zwar erst am 11. Juli auf den Markt. Aber schon im Vorjahr hatten sich die beiden Schwesterparteien darauf verständigt, dass ein Stufentarif wegen der enormen Einnahmeausfälle auf absehbare Zeit nicht in Frage kommt. Auch einer Nettoentlastung steht die Union wegen der maroden Kassenlage zunehmend skeptisch gegenüber. Nach Ansicht führender Unionspolitiker wie Edmund Stoiber oder Roland Koch muss die Steuervereinfachung Vorrang haben. Auch bei einer rechtsformneutralen Unternehmensbesteuerung tut sich der potenzielle Koalitionspartner der Liberalen schwer. Unterdessen macht sich auch Solms keine Illusionen. Selbst eine Anhebung der Mehrwertsteuer wollte er gestern nicht gänzlich ausschließen. Das könne er nur dann tun, "wenn wir die absolute Mehrheit bekommen", meinte der Liberale scherzhaft.

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