Keine Tore ohne die Bundeswehr

BERLIN. Verteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU) hat entschieden, und die Regierung ist ein altes Problem trotzdem nicht los. 2000 Soldaten sollen nach Jungs Willen die Polizei während der Fußball-WM unterstützen – jedoch nur logistisch.

Im Bundestag, der am Donnerstagabend über das Thema debattierte, zeichnete sich für Jungs Konzept eine breite Zustimmung ab. Ungeachtet dessen hielten Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und sein bayerischer Kollege Günther Beckstein (CSU) ihre Forderung aufrecht, die Bundeswehr auch für den Objektschutz einzusetzen und dafür das Grundgesetz zu ändern. 5900 Schlafplätze in 40 Kasernen

Jung legte dem Verteidigungsausschuss einen Bericht über alle Vorhaben vor. In dem "Gebilligter Einsatzvorschlag" überschriebenen Papier, das unserer Zeitung vorliegt, umgeht Jung die Hürde einer Verfassungsänderung. Die Bundeswehr soll demnach während der WM vor allem ihren Sanitätsdienst zur Verfügung stellen, darunter eine Notfallchirurgie in Kaiserslautern. Für die Polizisten sollen 5900 Schlafplätze in 40 Kasernen bereit stehen - inklusive Verpflegung. An den WM-Spielorten werden Experten für atomare, biologische und chemische Kampfstoffe die Polizei in Gefahrensituationen beraten. Den deutschen Luftraum sollen Awacs-Aufklärungsflugzeuge der Nato überwachen. In Laupheim und Bückeburg stehen im Sommer zwei Hubschrauber CH-53 bereit, die Verletzte transportieren können. Und am Stuttgarter Flughafen wird ein mobiler Tower aufgestellt. Insgesamt erfüllt die Bundeswehr rund 100 Hilfsgesuche aus den Ländern und des Bundes. 2000 Soldaten sollen im Einsatz sein. Dies alles geschehe im Rahmen der "technischen Amtshilfe", heißt es in dem Papier. Ähnliche Leistungen habe die Bundeswehr auch bei den Olympischen Spielen 1972 in München erbracht, erklärte das Verteidigungsministerium. Kurz nach dem Bekanntwerden der Pläne erneuerte Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) gestern seine Forderung nach einer Grundgesetzänderung. "Sollte es zu einer Sicherheitsgefährdung auf Grund einer terroristischen Bedrohungslage kommen, haben wir kein zusätzliches Personal mehr zur Verfügung." Daher müsse die Unterstützung der Polizei durch die Bundeswehr im besonderen Gefahrenfall verfassungsrechtlich festgeschrieben werden. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, sagte unserer Zeitung, der Maßnahmenkatalog Jungs sei "völlig unbedenklich". "Probleme hätten wir nur, wenn die Bundeswehr mit der Waffe in der Hand im Inland eingesetzt würde." Das sei nicht der Fall. Wiefelspütz warf Beckstein vor, die WM zu instrumentalisieren. "Wenn Beckstein meint, Bayern kann Spiele nicht sichern, dann übernehmen wir sie in Nordrhein-Westfalen." Eine Grundgesetzänderung werde es mit der SPD nicht geben. Allerdings sei die SPD dafür, dass die Armee zur Gefahrenabwehr dort eingesetzt werden könne, wo die Polizei technisch keine Mittel habe, etwa zur See und in der Luft. Die Koalition warte aber das für nächste Woche terminierte Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz ab, ehe sie hier weiter aktiv werde. Auf dieses ausstehende Urteil verweist auch Schäuble, wenn auch mit der Hoffnung, dann grünes Licht für eine weitergehende Änderung des Grundgesetzes zu bekommen. "Unsere Ausgangsposition ist unverändert", hieß es im Bundesinnenministerium. Das Thema Objektschutz bleibe offen. Auch die FDP-Innenpolitikerin Gisela Piltz hieß die Pläne Jungs gut. Sie verletzten nicht die im Grundgesetz festgeschriebene Trennung zwischen Polizei- und Armeeaufgaben. Die FDP sei strikt gegen eine Grundgesetzänderung. Die FDP habe "kein Problem damit, wenn Verletzte versorgt oder Mahlzeiten für Polizisten gekocht werden", lehne aber den Einsatz für den Objektschutz ab. Die Gesamtkosten des Bundeswehreinsatzes werden auf fünf Millionen Euro geschätzt, wobei der größte Teil (1,2 Millionen Euro) auf Bayern entfällt. Der Steuerzahlerbund forderte bereits, die Fifa solle diese Kosten übernehmen, weil sie an der WM verdiene. Allerdings gehört die Sicherung der WM zu den Regierungsgarantien des Ausrichterlandes.

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