Keiner denkt an die Kinder

TRIER. Wenn Eltern sich trennen, leiden die Kinder. Doch das wird häufig vergessen. "Kinder haben keine Lobby", sagt der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (ISUV) und fordert eine Art Elternführerschein einzuführen.

Max und Aline sind Scheidungskinder. Sie leiden unter der Trennung ihrer Eltern. Die Schuld dafür geben sie aber keinem. "Die lieben sich nicht mehr, daher haben sie sich scheiden lassen. Das ist besser, als wenn sie sich die ganze Zeit streiten", sagt der 13-jährige Max. Doch er und Aline möchten nicht, dass über ihre Köpfe hinweg bestimmt wird, wann und wie lange sie Papa sehen dürfen. "Wir wollen nicht nur am Wochenende zu unserem Papa, sondern auch mal an anderen Tagen", wünscht sich die elfjährige Aline. Und noch einen Wunsch haben die Geschwister: "Wir möchten unsere Eltern anrufen, wann wir wollen." Hinter all dem steckt die Angst, dass ihre Eltern noch mehr streiten, und zwar um sie. Sie fürchten, dass sie als Druckmittel eingesetzt werden, wenn ein Elternteil etwas von dem anderen will. Der Konfliktberater und Mediator für Trennungen, Aloys Leyendecker, kennt viele solcher Fälle. Häufig würden die Beziehungen zu den Eltern als Bestrafung eingesetzt: "Wenn du nicht brav bist, darfst du nicht zu Papa." "Die Kinder leiden darunter, mehr als die Eltern denken", sagt der Beziehungsexperte aus Piesport (Kreis Bernkastel-Wittlich). Streit über die Besuchsregelungen, das Schlechtmachen des Ex-Partners - all das belastet die Kinder noch mehr. Sie leiden ohnehin schon unter der Trennung ihrer Eltern. Irmgard Endries, Landesvorsitzende des Interessenverbands Unterhalt und Familienrecht (ISUV), glaubt sogar, dass die Fähigkeit, eigene Beziehungen einzugehen, bei Scheidungskindern leidet, weil sie nur bei einem Elternteil aufwachsen. "Die bekommen später ernsthafte Probleme", weiß sie aus eigener Erfahrung. Sie ist seit neun Jahren geschieden, ihr Ex-Mann hat jeden Kontakt zu ihren Kindern abgelehnt. "Die Mutter kann nicht die männliche Verantwortung übernehmen." Wenn sich ein Ehepaar scheiden lässt, gibt es immer Gründe dafür. Die liegen, so Endries, jedoch meist auf beiden Seiten. Doch bei allem Streit dürften beide ihre Verantwortung für die Kinder nicht vergessen, sagt die Aktivistin. "Sie sind beide verpflichtet, für ihre Kinder zu sorgen", sagt Endries. Doch wie soll das funktionieren, wenn schon in angeblich intakten Beziehungen viele Eltern mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert sind? "Viele beherrschen noch nicht einmal die einfachsten Alltagssituationen." Endries fordert einen Art Eltern-Führerschein. Wer Kinder erzieht, sollte Seminare besuchen, in denen er zum Beispiel lernt, wie er die Eigenständigkeit der Kinder fördern, sie zu starken Persönlichkeiten machen und ihnen die Fähigkeit zu positiven Gefühlen wie Trauer und Freude vermitteln kann. Aber auch, um zu erfahren, wie sich Streit im schlimmsten Fall auf die Kinder auswirken kann. Gerade bei Scheidungen dürften die Interessen der Kinder nicht außer Acht gelassen werden. Doch genau das passiert in den allermeisten Fällen.Rein juristische Entscheidungen

"Oft sind die Eltern so zerstritten, dass sie das Vertrauen zueinander verloren haben. Daher glauben sie, ihre Kinder nicht mehr guten Gewissens in die Obhut des anderen geben zu können", sagt Leyendecker, der in den Sitzungen mit den Paaren versucht, einvernehmliche Lösungen zwischen den Partnern und mit den Kinden zu finden. "Die Kinder haben bei Scheidungen keine Lobby, es wird fast ausschließlich juristisch entschieden. Eine psychologische Betreuung der Betroffenen findet nicht statt", kritisiert Endries. Sie fordert: "Bei Scheidungen müssten zu allererst einmal die Kinder befragt werden." Dann, so die engagierte Familienrechtsexpertin, käme es auch weniger zu nicht nachvollziehbaren Sorgerechtsurteilen. ISUV bietet regelmäßig Info-Veranstaltungen an. Die nächste ist am 14. Juli, 20 Uhr, im Sankt-Markus-Haus in Wittlich. Thema: "Elterliche Sorge und Umgang aus familienrechtlicher Sicht." Der Cochemer Familienrichter Jürgen Rudolph referiert. Infos: 06571/3748.

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