Kinder sterben vor Kälte

Islamabad/Neu Delhi/Hahn. (dpa) In den Erdbebengebieten Pakistans und Indiens wächst die Angst vor lebensbedrohlichen Krankheiten. In den Gebirgsregionen verschärfte sich nach einem Wintereinbruch die Situation von Millionen Obdachlosen.

Helfer berichteten am Mittwoch im indischen Teil Kaschmirs, mindestens sieben Kinder seien bereits erfroren. "Wir sind sehr besorgt wegen des Wintereinbruchs", hieß es im Innenministerium in Neu Delhi. Nach stundenlanger Unterbrechung wegen Unwettern wurden am Mittwoch die Hilfsflüge wieder aufgenommen. Auch in Pakistan wird die Lage immer dramatischer. Pakistanische Behörden kündigten an, in den kommenden Tagen Zeltstädte zu errichten. Ein führender islamischer Geistlicher bot Koranschulen als Notunterkünfte für tausende Menschen an. "Ganze Städte müssen neu gebaut werden", sagte Premier Shaukat Aziz. Rund 100 Stunden nach dem Erdbeben der Stärke 7,7 vom Samstag wurde eine Frau lebend aus den Trümmern ihres Hauses geborgen. Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks (THW) konnten die Frau in Muzaffarabad, der Hauptstadt des pakistanischen Teils Kaschmirs, retten. Nach Angaben von Ärzten wird die Überlebenschance nach 72 Stunden gering. Meteorologen kündigten für Teile des Erdbebengebietes Schnee und Regen an. In der Nacht sollen die Temperaturen auf sechs Grad Celsius sinken. "Das Ausmaß der Verwüstung ist kolossal, und wir alle versuchen, dieses Desaster mit Hilfe türkischer, deutscher, japanischer und italienischer Einsatzkräfte zu bewältigen", sagte der bei der Armee für die Hilfsaktionen zuständige General Sallahuddin Satti. Ärzte und Hilfsorganisationen warnten eindringlich vor Lungenentzündungen und Tuberkulose. "Kälte und Nässe erhöhen das Risiko für Atemwegserkrankungen sowie Durchfall, insbesondere bei Kindern", sagte Joost Butenop, Arzt und Vize-Projektleiter bei der Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" . Angesichts der großen Zahl von Leichen gebe es ein "unglaubliches Risiko" durch Krankheiten, sagte UN-Sprecher Andrew MacLeod in Islamabad. Die pakistanischen Behörden entsandten hunderte Helfer, die die Toten mit chemischen Mitteln besprühen sollen. Auch das Wasser ist vermutlich verschmutzt, weil Wasserleitungen und -speicher beschädigt wurden. Die pakistanische Armee setzte tausende Soldaten Richtung Kaschmir in Marsch, um Plünderungen und neues Chaos bei Hilfslieferungen zu verhindern. Als am Dienstag die Hilfsflüge wegen schlechten Wetters vorübergehend eingestellt wurden, stürzten sich die Menschen auf die wenigen Lastwagen mit Lebensmitteln und Medizin. In Muzaffarabad soll es zu Plünderungen gekommen sein. "Eine Schande", sagten Augenzeugen. Nach einem Appell der Vereinten Nationen (UN) kündigte Berlin an, die humanitäre Hilfe um drei Millionen Euro aufzustocken. Das Auswärtige Amt hatte bereits 250 000 Euro Nothilfe für Unicef zugesagt. Auch Washington will die Hilfe für die Erdbebenopfer ausweiten, nachdem man bereits 50 Millionen Dollar (42 Millionen Euro) zugesagt hat. Das Beben hatte weite Landstriche im Norden Pakistans und Indiens verwüstet, vermutlich kamen mehr als 41 000 Menschen ums Leben. Nach Angaben der Johanniter-Hilfe wurden rund 80 Prozent der Häuser in den Bergregionen Pakistans beschädigt oder zerstört. Rund sieben Millionen Menschen seien betroffen. Die Bundeswehr ist mit zwei Helikoptern im Einsatz. Neben dem Transport von Hilfsgütern in die Krisenregion sollen sie Verletzte ausfliegen. Die Aktion "Deutschland hilft" (ADH), in der zehn deutsche Hilfsorganisationen zusammengefasst sind, schickte gestern 27 Tonnen Hilfsgüter vom Flughafen Hahn aus ins Erdbebengebiet. Die Maschine transportierte 6000 Decken, 20 000 Wasserkanister, 90 Kartons mit Tabletten zur Wasserentkeimung, 2000 Kochsets und Medikamente, die drei Monate lang für eine Notversorgung von 50 000 Menschen reichen.

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