Kinder wollen an der Welt teilhaben

Kinder lesen wieder mehr. Aber nicht alle. Es gibt gleichzeitig auch immer mehr Kinder, die gar nicht lesen. Was kann dagegen getan werden? Welche Rolle haben Tageszeitungen bei der Leseförderung?

 Die Zeitungslektüre ist auch für Kinder eine wertvolle Sache. Die Kindernachrichten bieten einen idealen Einstieg. TV-Foto: Rainer Neubert

Die Zeitungslektüre ist auch für Kinder eine wertvolle Sache. Die Kindernachrichten bieten einen idealen Einstieg. TV-Foto: Rainer Neubert

Trier. (wie) Unser Redakteur Bernd Wientjes unterhielt sich mit dem Sprecher der Stiftung Lesen, Christoph Schäfer;Man hat den Eindruck, die Kinder lesen wieder mehr. Täuscht der Eindruck? Schäfer: Zunächst muss man feststellen, dass es einen scheinbaren Widerspruch gibt. In der Pisa-Studie steht, dass 22 Prozent der 15-Jährigen niemals zum Vergnügen ein Buch lesen. Zum anderen haben wir das Harry-Potter-Fieber. Der Widerspruch erklärt sich dadurch, dass die Pisa-Kinder nicht die Potter-Kinder sind. Es gibt immer noch sehr viele Kinder, die sehr viel Spaß am Lesen haben und Harry Potter und Bücher von Autoren wie Cornelia Funke lesen. Zum anderen gibt es immer mehr Kinder, die nicht lesen, und die werden abgehängt.Was heißt das konkret? Schäfer: Wir sprechen vom sogenannten sekundären Analphabetismus. Das sind Jugendliche, die haben etwa Schwierigkeiten, eine Tageszeitung zu lesen. Welche Rolle spielen Tageszeitungen und Zeitschriften überhaupt bei der Leseförderung? Schäfer: Vor allem Jungs lesen stark themenorientiert. Das heißt, Zeitungen und Zeitschriften haben die Chance, Kinder und Jugendliche über bestimmte, für sie interessanten Themen wie etwa Sport zum Lesen zu bringen. Bei regionalen Tageszeitungen besteht zudem die Chance, durch die Verknüpfung zum jeweiligen Lebensumfeld, der Region, weiteren Anreiz zu schaffen. Also sind auch spezielle Nachrichten für Kinder ein Anreiz zum Lesen der Zeitung. Schäfer: Ja, auf jeden Fall. Kinder und Jugendliche wollen an der Welt teilhaben, sie wollen mitreden. Sie sind nämlich nicht von vorneherein Politikmuffel, man muss sie eben nur ernst nehmen. Das Engagement der Tageszeitungen ist ein ganz wesentlicher Beitrag zur Leseförderung. Computer gelten gemeinhin als eher lesehemmend. Stimmt das? Schäfer: Nicht unbedingt. Das Internet gilt als Lesemedium. Die elektronischen Medien haben ein großes Potenzial, Kinder und Jugendliche ans Lesen heranzuführen. Computer sind nicht unmittelbar eine Konkurrenz zu gedruckten Medien. Allerdings müssen sich die klassischen Medien an die durch Internet geprägten Lesegewohnheiten der Kinder anpassen. Texte werden angelesen, es werden Passagen übersprungen. Kinder, aber auch Erwachsene werden beim Lesen schnell ungeduldig und wollen bei Laune gehalten werden. Wo muss mehr getan werden, um Kinder und Jugendliche zum Lesen zu animieren: in den Schulen oder zu Hause bei den Eltern? Schäfer: Es gibt sehr viele engagierte Lehrer, die das Leseverhalten mit viel Enthusiasmus fördern. Genauso gibt es auch viele Eltern, die eine Menge dafür tun. Aber wir müssen vor allem die Elternhäuser erreichen, die wenig bis gar keinen Wert auf Sprachförderung ihrer Kinder legen. Das heißt, wir müssen auch jungen Familien bereits die Bedeutung dieses Themas vermitteln.Wie soll das geschehen? Schäfer: Es wird viel zu wenig vorgelesen in Familien. Zwei von drei Eltern lesen ihren Kindern nichts vor. Wir müssen vermitteln, dass Vorlesen Spaß macht. Trotz allem klingen Sie nicht pessismistisch, dass irgendwann gar nicht mehr gelesen wird. Schäfer: Nein. Kinder werden immer Bücher und Zeitungen lesen. Allerdings geht die Schere immer weiter auseinander. Es wird immer mehr Kinder geben, die gefördert werden und vielleicht Harry Potter auf Englisch lesen, und auf der anderen Seite wird es auch immer mehr Kinder geben, die das Buch noch nicht einmal auf Deutsch lesen können. Daher muss mehr Geld in Leseförderung etwa in Bibliotheken und die Schulausstattungen investiert werden.

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