Klamauk als gängige Praxis

TRIER/DAUN. (mh) Nach dem vorläufigen Abschluss der eineinhalbjährigen Ermittlungen mit Befragungen der Angeklagten und zahlreicher Augenzeugen zeichnet die Staatsanwaltschaft Trier folgendes Bild vom Unfallhergang am Dienstag, 10. August 2004, auf der Dauner Laurentius-Kirmes:

Während das aus Kastellaun im Hunsrück stammende Betreiberehepaar des Extrem-Fahrgeschäfts "Sling-Shot" zum Zeitpunkt des Unglücks nicht an der Unfallstelle gewesen sein soll, sind die drei Angestellten unmittelbar beteiligt. Aber: Laut Staatsanwaltschaft haben die Angeklagten überhaupt nicht die notwendige Schulung der Herstellerfirma des Bungee-Katapults besucht, bedienen das Gerät dennoch. Am ebenfalls vorgeschriebenen Seminar der Berufsgenossenschaft habe weiterhin nur der heute 56-jährige Chef der Kirmes-Truppe teilgenommen. "Vom Bedienpult aus guter Blick auf die Fahrgäste"

Zum Unfall heißt es in der Anklageschrift: Um 16.56 Uhr nehmen die beiden Dauner Schülerinnen Ramona S. (14 Jahre) und Katharina G. (16) in der Bungee-Kugel Platz. Rechts und links von ihnen stehen der zum Tatzeitpunkt 23-jährige Pole und der 32-jährige Deutsche, die fürs Anschnallen der Fahrgäste zuständig sind. Der dritte Gehilfe, ein 23-jähriger Deutscher, steht am etwa zwei Meter entfernten Bedienpult, mit der der Abschuss der Kugel ausgelöst wird. Von dort aus hat man einen guten Blick auf die Fahrgäste. Anstatt die Mädchen anzuschnallen, stellt laut Zeugenaussagen einer der Männer einen Wassersprinkler an, ein anderer macht Klamauk mit einem Schirm. Der 23-jährige Deutsche leitet dann nach Erkenntnis der Staatsanwaltschaft den 30 Sekunden dauernden Startvorgang der Kugel ein, ohne sich vorher zu vergewissern, ob die Fahrgäste angeschnallt sind. Dabei wäre das nach Ansicht der Staatsanwaltschaft seine oberste Pflicht. Diese laxe Handhabung der Sicherheitsaspekte entspricht nach Überzeugung der Ermittler aber zu dem Zeitpunkt der gängigen und vom Betreiber der Anlage geduldeten Praxis - vor allem, wenn viel Betrieb ist. Und auch kurz bevor er den Auslöser drückt, der erst die Kugel in 64 Meter Höhe schießen lässt, überzeugt sich der 23-jährige Deutsche nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht von der Sicherheit der Fahrgäste - weder durch Blickkontakt zu seinen Kollegen, noch, indem er zu den beiden Mädchen schaut. Dann der folgenschwere Knopfdruck: Die Kugel mit den nicht angeschnallten Schülerinnen schnellt in die Höhe und pendelt auf und ab. Während die 16-Jährige sich an den Verstrebungen der Kugel festhalten kann und nach einigen Minuten verletzt geborgen wird, verlässt die 14-jährige Schülerin die Kraft. Sie stürzt vor den Augen zahlreicher Kirmesbesucher - darunter ihr jüngerer Bruder sowie viele andere Kinder und Jugendliche - aus großer Höhe zu Boden und stirbt um 17.21 Uhr an der Unfallstelle.

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