Knirschen im Koalitionsgebälk

BERLIN. Wenn die Landtagswahlen am kommenden Sonntag vorbei sind, geht für die große Koalition ein Zeitfenster von rund zwei Jahren auf. 2008 beginnt dann schon der Vorwahlkampf für die ein Jahr später folgende Bundestagswahl.

Allerdings stehen bis dahin auch noch einige Wahlen in den Ländern an, die immer wieder die Arbeit der Koalitionäre lähmen dürften. Jetzt oder nie, verlautet es deshalb aus den Reihen der großen Koalition. Schafft das fragile Bündnis in den nächsten Monaten die notwendigen Reformen? Es wird kein Frühlingsspaziergang werden für Schwarz-Rot. "Die Diskussionen werden offener, damit rechnen wir", heißt es milde aus dem Fraktionsvorstand der Union. Das ist eine nette Umschreibung dessen, wovon CDU/CSU und auch SPD wirklich ausgehen: Nach dem Wahlsonntag in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt ist Schluss mit den großkoalitionären Rücksichtnahmen, dann wird der Umgangston schlagartig rauer werden. Die ersten Vorboten des Klimawandels waren in den vergangenen Tagen schon zu vernehmen: Im Fernkampf trug man per Interviews ein ganzes Bündel an Konflikten aus. Schon warnt CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer: "Wenn weiter rumgezündelt wird, kann schnell die ganze Hütte brennen." Aus gutem Grund hebt der Bayer mahnend den Finger: Die Zahl der Baustellen, auf denen beide Partner mit unterschiedlichem Handwerkszeug eigene Ziele verfolgen, wächst. Beispiele: SPD-Chef Matthias Platzeck und Fraktionschef Peter Struck wollen die Föderalismusreform wieder aufschnüren - ein Scheitern des Projekts wäre ein Debakel für die gesamte politische Kaste. Auch die Energiepolitik birgt erhebliches Streitpotenzial. CDU-Fraktionschef Volker Kauder und Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) beharren auf längeren Laufzeiten der Atommeiler. Der Atomausstieg aber ist ein Meilenstein rot-grüner Politik gewesen; diesen historischen Erfolg will man sich von der Union nicht kaputtmachen lassen. Beim Energiegipfel Anfang April im Kanzleramt könnte es also zum großen Knall kommen. Hochgradige Kontroversen finden sich ebenso bei den Themen Gesundheitsreform, Kündigungsschutz und Mindestlöhne. Unterschiedlich sind darüber hinaus die Auffassungen zu Innerer Sicherheit und Zuwanderung - der Zoff um die Einbürgerungstests ist nur ein Vorgeschmack, die Hardliner in der Union wollen am liebsten das Zuwanderungspaket gänzlich wieder aufmachen. Hinzu kommen viele kleine Brände auf Ebene der Fachpolitiker: "In den Ausschüssen", erzählt ein Grüner feixend, "kann man den Eindruck haben, es gibt die Koalition gar nicht, so fetzen die sich."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort