König oder Null-Nummer?

TRIER. Eigentlich wollte der Hermeskeiler SPD-Mann Karl Diller nicht noch einmal für den Bundestag kandidieren. Jetzt sitzt er trotzdem wieder drin. Und womöglich bleibt der 64-Jährige auch unter dem designierten Finanzminister Peer Steinbrück Parlamentarischer Staatssekretär. Ein Job, den nicht wenige für überflüssig halten.

Totgesagte leben länger: Der von einigen Medien bereits als Auslaufmodell bezeichnete SPD-Staatssekretär Karl Diller wird vom zukünftigen Finanzminister Steinbrück möglicherweise doch nicht durch einen "jungen Wilden" ersetzt. Sechs Tage vor der wahrscheinlichen Ernennung verlautete gestern aus Mainzer SPD-Kreisen, dass auch der Nachfolger Hans Eichels an Diller festhalten wolle. Dillers Staatssekretärs-Kollegin Barbara Hendricks gilt ohnehin als gesetzt. Träfe dies zu, wäre Steinbrück nach Oskar Lafontaine und Eichel bereits der dritte Finanzminister, unter dem der seit 1987 im Bundestag sitzende Hermeskeiler Parlamentarier dienen würde. Der 64-Jährige hatte in den vergangenen Wochen in Berlin alle Hände voll zu tun. Für die Genossen saß Diller in der 14-köpfigen Koalitionsverhandlungsgruppe, die sich mit den - angesichts klaffender Milliarden-Löcher - wenig attraktiven Themen Haushalt und Steuerrecht befasste. Der SPD/CDU-Koalitionsvertrag ist unter Dach und Fach, Karl Diller nicht auf dem SPD-Parteitag in Karlsruhe, sondern in seinem Berliner Staatssekretärsbüro unweit des Potsdamer Platzes. Auf seine mögliche Amtszeitverlängerung angesprochen, gibt sich der Hermeskeiler so wortkarg wie ein Ordensmann mit Schweigegelübde: "Kein Kommentar. Das zu verkünden ist Sache des Ministers." Geradezu redselig ist Diller allerdings, als er auf das Aufgabengebiet eines Parlamentarischen Staatssekretärs angesprochen wird. An den von der ersten großen Koalition 1967 eingeführten Jobs war zuletzt vermehrt Kritik geäußert worden. Diller: Enorme Arbeitsbelastung

"Reduzieren auf einen pro Ministerium", forderten etwa die Liberalen, "ganz abschaffen" der Bund der Steuerzahler. Begründung: zu teuer und überflüssig. So verdiene ein PSt, so die interne Bezeichnung der Parlamentarischen (23 gab es unter Rot-Grün), rund 13 500 Euro monatlich; hinzu kämen Dienstwagen nebst Chauffeur, zwei Sekretärinnen, zwei Büros und ein Referent. Eine gestrichene PSt-Stelle spare jährlich eine halbe Million Euro, behauptet Steuerzahler-Präsident Karl Heinz Däke. Für den betroffenen Karl Diller sind die Vorwürfe "nicht nachvollziehbar". Das Gegenteil sei der Fall - zumindest im Bundesfinanzministerium. "Die Arbeitsbelastung ist enorm", sagt Diller. So vertrete er etwa den Minister im Haushalts- und im Europaausschuss und bekomme alle wichtigen Vorlagen vor dem Chef des Hauses auf den Tisch. Die werden vom PSt für gewöhnlich mit einem lilafarbenen Stift abgezeichnet. "Lila heißt: für die Beamten liegen lassen", zitiert der "Spiegel" einen ehemaligen PSt. Wenig freundlich über die Parlamentarischen äußert sich auch eine ehemalige Bundestagsabgeordnete, die nun kein Blatt mehr vor den Mund nehmen muss: "Im heimischen Wahlkreis sind sie die Könige, in Berlin eine Null-Nummer."

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