Kostüme, Kamelle - Kohle

TRIER. Bis zu sieben Milliarden Euro Gesamtumsatz spült die närrische Zeit in etliche Wirtschaftsbranchen. Kein Wunder: Es gibt 26 000 Sitzungen, mehrere tausend Festzüge und unzählige Partys und Bälle.

Franz Wolf ist Präsident des Bundes Deutscher Karneval (BDK). Das Oberhaupt von 2,7 Millionen Narren in 4 700 Vereinen ist überzeugt: "Diesmal wird gefeiert, als wär´s das letzte Mal! Noch intensiver, noch humorvoller, noch lustiger!" Denn je trüber die Zeiten, desto doller die Feste: Insgesamt 6,5 Millionen Pappnasen schunkeln zwischen Boden- und Nordsee auf zehntausenden Sitzungen in den siebten Narrenhimmel. Dem Volk dürstet es - nicht nur nach Zerstreuung: 600 000 Hektoliter zapfen allein die Kölsch-Brauereien in den närrischen Hochburgen. Beim Münchner Oktoberfest sind's nur eine halbe Million. Auch bei den Sektkellereien schäumt der Umsatz. Mehr als 3000 inländische Betriebe profitieren von der Fünften Jahreszeit - Süßwarenproduzenten, Kosmetik- und Scherzartikelhersteller, Prägeanstalten,Kostümschneidereien, Friseurbetriebe, Bäckereien, Fleischereien, Tankstellen, Kioske, Taxi- und Busunternehmen. Die Frohsinnsbranche sichert ganzjährig bundesweit etwa 50 000 Vollzeitarbeitsplätze. Immerhin jedes sechste Unternehmen bewertet nach einer Umfrage des Wirtschaftswissenschaftlers Thorsten Wittenriede von der Fachhochschule Koblenz die Konjunkturaussichten als "stark positiv", jedes siebte will sogar neue Mitarbeiter einstellen.Narrenzahl nähert sich der Drei-Millionen Grenze

In den letzten 15 Jahren sind 1400 neue Karnevalsvereine entstanden, davon allein 900 in Ostdeutschland. Die Zahl der organisierten Narren stieg bundesweit um 750 000 und nähert sich der Drei-Millionen-Grenze. Auch die Touristikbranche frohlockt: Die Deutsche Bahn setzt Sonderzüge ein und für Billigflieger wie "German Wings" gehört der Karneval zu den "besonders reise-intensiven Zeiträumen" mit "vielen Gästen aus ausländischen Quellmärkten", wie Großbritannien, Italien und Spanien. Fast alle Unterkünfte in den Narrenhochburgen sind regelmäßig schon ein Jahr im voraus ausgebucht. Das Rheinland, so Nicole Harbrich vom Deutschen Tourismus-Verband in Bonn, erledigt in den sechs Tagen der Hohen Zeit zwischen Donnerstag und Dienstag 15 Prozent des Jahresumsatzes. Zwei Milliarden Euro spült der Karneval nach einer Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes allein in der Region Köln/Düsseldorf in die Kassen - die Kosten für Friseurbesuche (etwa 125 000 in Köln) und der Lohn für Toilettenfrauen eingerechnet. Auch für den Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel ist die Fastnacht ein "Bestseller": Die Wirtschaft der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt erjuxt sich stolze 30 Millionen Euro, fast ein Sechstel des touristischen Jahresumsatzes. 60 mittelständischen Prägeanstalten bescheren die Karnevalsorden einen Jahresumsatz von 25 Millionen Euro. 150 bis 200 Millionen Euro verdienen die Hersteller von Pappnasen, Masken und Schminke. Nach Schätzungen des Deutschen Verbandes der Spielwarenindustrie in Nürnberg lassen sich während der Session mit Kostümen, Luftschlangen, Konfetti und anderen Accessoires 220 Millionen Euro umsetzen. In den rheinischen Kostümschneidereien rattern bereits im Sommer ununterbrochen die Nähmaschinen. Reitercorps und Garderegimenter, Funkenmariechen, Prinzen und Prinzessinnen in ganz Deutschland warten auf neue Uniformen - nicht nur zwischen Köln und Trier, auch in Hamburg, Berlin, Dresden, Stuttgart und München und sogar in den USA, Australien und Südafrika. Karneval, Fasching und Fastnacht - nie waren sie süßer wie heute. Zur Freude von Stollwerck oder Haribo, Metro oder Handelshof. Bei Hunderten von Umzügen regnet es Bonbons und Schokolade - 140 Tonnen prasseln in Köln auf die Narren, 90 in Berlin, 50 in Mainz und 40 in Trier.

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