Krach in der Kombo

BERLIN. Jede Seite tut sich mit der Abgabe von Zuständigkeiten schwer - viel weiter als bis zu dieser Feststellung ist die Förderalismus-Kommission bisher nicht gekommen. Am Donnerstag unterrichteten die Mitglieder die Öffentlichkeit über ihre Arbeit. Das Ergebnis ist ernüchternd.

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Foto: Alexander Rüsche (dpa)

Nach 100 Minuten Diskussion rückte der CDU-Rechtsexperte Norbert Röttgen zum Kern des Problems vor. "Wer ist der wahre Gesetzgeber in Deutschland?", fragte er in die illustre Runde der Föderalismus-Kommission, die die Gewichte zwischen dem Bund und den Ländern neu verteilen und damit die größte Staatsrechtsreform in der Geschichte der Bundesrepublik einleiten soll. Röttgen gab die Antwort selbst: "Der Referatsleiter im Ministerium." Er entscheide über die Formulierungen, er überzeuge den Minister, denn "das ist sein Leben". Der folgende Lacher sollte die einzige Erheiterung bleiben in der achten Sitzung der "Kombo", der Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, am Donnerstag im Reichstagsgebäude. Ursprünglich wollten die Reformer schon gestern einen ordentlichen Zwischenbericht ihrer Arbeit vorlegen, die im Herbst von Bundestag und Bundesrat mit dem Ziel beschlossen worden war, das überaus komplexe Verhältnis zwischen Bund und Ländern zu entflechten. Doch die Hoffnung der beiden Vorsitzenden Franz Müntefering (SPD) und Edmund Stoiber (CSU), den Kompetenzstreit in der geplanten Zeit schlichten zu können, scheint zu trügen. Viel weiter als die Feststellung, dass jede Seite sich mit der Abgabe von Zuständigkeiten schwer tut, ist man nicht gekommen. Deshalb mahnte Stoiber am Donnerstag auch eindringlich, aufeinander zuzugehen. Denn sollte man bis Dezember zu keiner Einigung gekommen sein, "dann sind wir gescheitert". Im Kern geht es darum, den Ländern eigene Verantwortungsbereiche zu gewähren, die im Gegenzug auf Zustimmungsrechte bei der Bundesgesetzgebung verzichten. Im Laufe der Jahre ist die Menge der Gesetze, bei denen der Bundesrat mitentscheidet, von zehn Prozent auf 60 Prozent gestiegen. Verantwortlich dafür ist ein Dreizeiler im Grundgesetz (Artikel 84,1). Diesen Passus will der Bund am liebsten streichen. Die Länder sträuben sich. Als Kompromissmöglichkeit ist in der Projektgruppe 1, die sich mit diesem Problem beschäftigt, eine Sperrklausel für "Ausnahmefälle" vorgeschlagen worden. Doch die Meinungen waren nicht unter einen Hut zu bringen, man kam keinen Deut weiter.Widersprüchliche Argumente ohne Ende

Ein ähnliches Bild zeigte sich bei den Punkten, die von den weiteren fünf Projektgruppen vorberaten wurden (Öffentlicher Dienst, Bildung und Kultur, Umwelt- und Verbraucherschutz, regionale Themen, Finanzthemen). Widersprüchliche Argumente ohne Ende. Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz plädierte etwa für eine "behutsame Änderung" des Artikels 33,5 Grundgesetz, in dem die "althergebrachten Grundsätze" des Berufsbeamtentums dafür sorgen, dass das Beamtenrecht erstarrt ist. Der Sachverständige Prof. Ferdinand Kirchof sprach sich dagegen aus: Der Artikel 33,5 habe nichts mit der Kompetenzregelung zwischen Bund und Ländern zu tun. Dieses spezielle Thema gehöre überhaupt nicht in die Kommission. Am 14. Oktober will sich die "Kombo" erneut treffen, bis dahin müssten die Projektgruppen intensiv weiter arbeiten, forderte Müntefering. Allerdings bat der Vorsitzende die Öffentlichkeit zugleich um Geduld: "Gut Ding will Weile haben." Auch andere Föderalisten haben ihren Optimismus noch nicht verloren. "Ich bin zuversichtlich", sagte der Projekt-Berichterstatter Verbraucherschutz, SPD-Fraktionsvize Hans-JoachimHacker. Auch Alois Glück (CSU), Präsident des bayerischen Landtags, ist sicher: "Es wird klappen - weil der Leidensdruck so groß ist."

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