Krieg als Konjunkturspritze

WASHINGTON. Alle Zeichen stehen auf Krieg: Selbst bei neuen Zugeständnissen Bagdads kann US-Präsident Bush kaum noch zurück. Seine Glaubwürdigkeit in der Sicherheits- und Wirtschaftspolitik stünde auf dem Spiel

Nur eine kurze Fristverlängerung für Saddam Hussein - nicht mehr als einige Tage - kann sich die US-Regierung vorstellen. US-Präsident George W. Bush befindet sich, so die vorherrschende Meinung in Washington, an einem Punkt, an dem es kaum noch einen Verzicht auf eine militärische Lösung geben kann. Der wichtigste Grund liegt dabei im Bereich der nationalen Sicherheit. Selbst Politiker wie der demokratische Senator Jon Corzine, der im letzten Jahr noch eine Kriegsermächtigung für das Weiße Haus strikt abgelehnt hatte, würde heute bei einer erneuten Abstimmung die Hand für die Bush-Regierung heben. "Alles andere würde auf lange Sicht zu globalem Chaos führen", sagt Corzine und verweist darauf, welche psychologischen Folgen ein Truppenabzug zu diesem Zeitpunkt für andere Diktatoren wie Nordkoreas Kim Jong Il oder die islamischen Herrscher in Teheran hätte. Neben dem politischen Aspekt gewinnen in den Überlegungen des Weißen Hauses jedoch auch finanzielle und wirtschaftliche Erwägungen enorm an Bedeutung - und trugen ebenfalls zu Bushs Aussage bei: "Wir würden einen größeren Preis zahlen, wenn wir Saddam Hussein nicht konfrontieren." Dabei geht es nicht nur um die Kosten der Stationierung der US-Truppen rund um das Einsatzgebiet. "Die Bürger zahlen bereits heute einen hohen ökonomischen Preis für die ungelöste Irak-Krise", analysierte jetzt der US-Wirtschaftsexperte Alan Murray, "die Konjunktur war auf dem Weg der Besserung, bis der Präsident begann, auf die Kriegstrommeln zu schlagen". Nach Murrays Ansicht sind die zusätzlichen 308 000 Arbeitsplätze, die in den USA allein im Februar verloren gingen, vor allem auf die weltpolitischen Unsicherheiten zurückzuführen - eine Ansicht, die kürzlich auch US-Notenbankchef Alan Greenspan in einer Rede vor dem Kongress offenbarte. Auch die heftig gestiegenen Ölpreise spielen dabei eine Rolle, weil sie viele Unternehmen zusätzlich belasten. "Gelingt es Bush jetzt, eine Invasion schnell abzuschließen und die irakischen Ölfelder vor der Zerstörung zu bewahren, gäbe das der heimischen Wirtschaft neue Zuversicht und Sicherheit", glaubt Murray. Optimistisch klingt eine interne Analyse der US-Regierung, nach der ein Zwei-Monats-Krieg mit Kosten in Höhe von 50 bis 60 Milliarden Dollar zu Buche schlagen würde. "Problemlos finanzierbar", heißt es dazu in Washington. Gleichzeitig jedoch tendiert man dazu, im Bush-Kabinett kritischere Prognosen beiseite zu wischen. Ex-Wirtschaftsberater Larry Lindsay verlor bereits seinen Job im Weißen Haus, nachdem er freimütig Kriegskosten in Höhe von mindestens 200 Milliarden Dollar prophezeit hatte. Deshalb hat man in Regierungskreisen bisher auch nicht auf die Prognose des Wirtschafts-Professors William Nordhaus von der renommierten Yale-Universität reagiert. Dieser sieht - wenn man Kriegs-und Aufbaukosten addiert - eine Größenordnung von 500 Milliarden Dollar erreicht, falls Bush kein schneller Sieg in Wochenfrist gelingt. Doch ein derartiges Szenario findet bei den Optimisten im Weißen Haus keine Berücksichtigung, weil das Credo derzeit lautet: Ein Krieg gegen den Irak wird - zumindest kurzfristig - der Konjunktur neuen Schwung verleihen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort