Kritik an Krawall-Strategie

BERLIN. (dpa/BB) Nach den schweren 1. Mai-Krawallen in Berlin kommt die auf Zurückhaltung der Polizei ausgerichtete Einsatz-Strategie des rot-roten Senats auf den Prüfstand.

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) stellte dasDeeskalations-Konzept einer abwartenden Polizei, die nur beiStraftaten einschreitet, selbst in Frage. Die Behörden würdenetwas ändern müssen, sagte er am Freitagmorgen imZDF-Morgenmagazin. Für die größte Oppositionsfraktion CDU ist dasKonzept klar gescheitert. Sie warf dem Senat vor, die Krawalle"tatenlos hinzunehmen". Der mehrjährige DemonstrationsbeobachterProfessor Peter Grottian bezeichnete das Konzept dagegen alserfolgreich. Nach friedlichen politischen 1. Mai-Demonstrationen war es wie in den Vorjahren am Donnerstagabend im Stadtteil Kreuzberg zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen. Teilweise vermummte Jugendliche attackierten die Polizei und schleuderten Flaschen und Steine, Autos gingen in Flammen auf. Stellenweise bot sich ein Bild der Verwüstung mit aufgerissenem Straßenpflaster, ausgebrannten Autowracks und zersplitterten Schaufenstern. Die Polizei ging massiv gegen die Randalierer vor. Erst gegen Mitternacht waren die Krawalle beendet.

Für die Ausschreitungen seien rund 1300 junge Menschen verantwortlich gewesen, die in Gruppen von bis zu 200 randaliert hätten, sagte Körting. Er konstatierte eine neue Qualität der Gewalt. "Das waren nicht Jugendliche, die am Rande einer Demonstration bei der Randale mitmachen wollten, sondern es waren vorbereitete Gewalttäter, die gezielt vorgegangen sind." Bei diesen Straftätern helfe es nichts, wenn die Polizei sich zurückhalte. Die Polizei sei auf diese Form der Gewalt "vielleicht nicht ausreichend vorbereitet" gewesen.

Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Frank Henkel, warf Körting Versagen vor. Die Deeskalationsstrategie sei gescheitert. Die Kreuzberger Bürger seien wie die Polizisten im Einsatz im Stich gelassen worden. "Viel zu lange musste die Polizei auf Veranlassung der politischen Führung dem Treiben der Chaoten tatenlos zusehen."

FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper warf dem Berliner Senat vor, den "rituellen Gewalttaten am 1. Mai mit unverantwortlicher Blauäugigkeit begegnet" zu sein.

Nach Ansicht von Demonstrationsbeobachter Grottian, der sich 2002 für einen gewaltfreien 1. Mai in Kreuzberg engagiert hatte, hat es in diesem Jahr weniger Gewalt gegeben. Deshalb sei das Gesamtergebnis besser als das der vergangenen Jahre, sagte der Hochschullehrer. Zugleich lobte er das besonnene Vorgehen der Polizei. "Die Polizei hat eine sehr differenzierte Strategie angewandt. Sie war sehr defensiv, aber gleichzeitig auch sehr präsent."

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