Kurzer Kommentar mit gravierenden Folgen

Trier · Eine Trierer Staatsanwältin bringt sich mit einem Interneteintrag in die Bredouille. Wird sie nun aus einem Prozess abgezogen?

Trier Mit einem im Internet veröffentlichten Kurzkommentar hat eine Trierer Staatsanwältin einen Sturm der Entrüstung ("Shit storm") ausgelöst. Auch der Leitende Oberstaatsanwalt Peter Fritzen war von dem Facebook-Eintrag der jungen Kollegin wenig begeistert. Er prüfe, ob die "außerdienstliche Äußerung einen Verstoß gegen die beruflichen Pflichten" begründe, sagte Fritzen unserer Zeitung.
Hintergrund des Zoffs ist eine Demonstration in der Trierer Innenstadt, an der am Sonntagnachmittag mehrere Hundert Personen teilgenommen haben. Sie protestierten gegen die ihrer Ansicht nach ungerechtfertigte Abschiebung einer seit Jahren in Saarburg lebenden Roma-Familie nach Mazedonien.
Die fünf Familienmitglieder, darunter drei Kinder im Alter von sechs, elf und 13 Jahren, waren Mitte Mai gegen 4 Uhr in der Früh aus den Betten geklingelt und über den Flughafen Frankfurt abgeschoben worden (wir berichteten mehrfach).
Die Demonstranten sprachen sich mit Transparenten "für die Rückkehr der Memedovs" und "gegen Abschiebungen" aus.
Auch auf der Facebookseite "Faces of Deportion - No one more", die von größtenteils deutschen Freunden, Bekannten und Unterstützern der Familie betrieben wird, wurde über die Demo berichtet. Unter einer knapp 40-sekündigen Filmsequenz, die zeigt, wie der Protestzug über den Trierer Hauptmarkt zieht, kommentiert unter anderem auch die Trierer Staatsanwältin: "Ich würde sehr empfehlen, dass die freundlichen Damen und Herren Aktivisten die abzuschiebenden Intensivtäter und Terroristen bei sich zu Hause aufnehmen und vollumfänglich für deren Handeln haften. Dann ist doch alles gut."
Die Reaktionen auf diesen Kommentar ließen nicht lange auf sich warten. "Ein hochgradig unsensibler und widerwärtiger Post", kommentierte eine Internetnutzerin, "Stammtischparolen", ein anderer. Weitere Kommentare fielen noch um ein Vielfaches deutlicher aus.
Wieder andere hielten es für denkbar, dass die Staatsanwältin selbst gar nicht die Verfasserin war, sondern dass es sich bei dem Kommentar um einen "Fake", also eine Fälschung handeln könnte.
Der Kommentar war kein Fake, wie eine Nachfrage unserer Zeitung beim Leitenden Trierer Oberstaatsanwalt ergab. Bei dem Post habe es sich um eine private Meinungsäußerung der Staatsanwältin gehandelt, sagte Chef-Staatsanwalt Peter Fritzen. Die Kollegin habe die Äußerung inzwischen bedauert, die sich zudem auch keinesfalls auf die Familie Memedov bezogen habe.
Auf die Frage, wie er den Fall bewerte, verwies Fritzen gegenüber unserer Zeitung auf die noch laufende interne Prüfung, deren Ergebnis er zunächst abwarten wolle.
Der Kommentar der Staatsanwältin ist von der entsprechenden Seite inzwischen verschwunden. Doch der Knatsch dürfte damit noch nicht beendet sein. Denn die Staatsanwältin vertritt derzeit die Anklage in einem Verfahren vor dem Trierer Landgericht, in dem gegen einen sogenannten Enkeltrickbetrüger verhandelt wird. Die Sache ist pikant, weil der Angeklagte Roma ist - wie auch die Angehörigen der abgeschobenen Familie Memedov, die natürlich mit dem Fall am Landgericht rein gar nichts zu tun haben.
Die Verteidiger des Angeklagten könnten nach dem Kommentar der Staatsanwältin allerdings unterstellen, dass sie ihrem Mandanten gegenüber voreingenommen sei. Mögliche Konsequenz: die Ablehnung der Staatsanwältin wegen Befangenheit.
Über die Ablehnung müsste dann der Dienstvorgesetzte entscheiden, dies ist Peter Fritzen. Würde er die Staatsanwältin vom Enkeltrickbetrügerfall abziehen, hätte dies auf den Prozess allerdings keine Auswirkung, verlautete aus Justizkreisen.Extra: UNTERSTÜTZUNG FÜR FAMILIE MEMEDOV


Ein Unterstützerkreis setzt sich seit Wochen für die Rückkehr der abgeschobenen Familie Memedov ein. Parallel zu den juristischen Bemühungen wird die laut Elke Boné-Leis in Mazedonien aus Angst vor Verfolgung und Diskriminierung untergetauchte Familie von Deutschland aus finanziell unterstützt. Bei der Demonstration sei deshalb Geld gesammelt worden; zudem würden Benefizkonzerte geplant. Die Kreisverwaltung Trier-Saarburg hatte in der Vergangenheit mehrfach darauf verwiesen, dass die Familie zugesagt habe, freiwillig auszureisen, dies aber nicht getan habe.

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