Lebenslänglich ohne Urteil

WASHINGTON. Hoffnungslosigkeit und kein Ende: Den Gefangenen der USA im Lager Guantanamo Bay auf Kuba droht eine Internierung bis zum Lebensende - ohne Prozess, ohne Urteil. Das hat die US-Regierung ungeachtet der Proteste von Menschenrechtlern nun erstmals durchblicken lassen.

Den zweiten Jahrestag der Anschläge des 11. September 2001 haben US-Regierungsmitglieder dazu genutzt, die Bedeutung des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus hervorzuheben - und um, wie US-Präsident George W. Bush, eine Ausdehnung staatlicher Machtbefugnisse zu fordern. Erstmals wurde dabei auch deutlich, dass das Weiße Haus dem Prinzip der Abschreckung extremistischer Kräfte einen besonderen Stellenwert beimisst: Denn wer von den USA im Ausland festgenommen wird und im Gefangenenlager Guantanamo Bay auf Kuba landet, hat im Regelfall so gut wie keine Aussicht, jemals wieder in Freiheit entlassen zu werden oder ein ordentliches Gerichtsverfahren zu erhalten. Das sind die Schlussfolgerungen, die sich aus Äußerungen des für das Internierungslager verantwortlichen Verteidigungsministers Donald Rumsfeld ergeben.600 Inhaftierte aus 42 Ländern

Denn nach den Aussagen Rumsfelds sind die derzeit rund 600 Inhaftierten aus 42 Ländern dort nicht zur Bestrafung, sondern sollten vielmehr davon abgehalten werden, "wieder zu kämpfen und Menschen zu töten". Es gebe kein Interesse der US-Regierung, diese Personen freizulassen oder anzuklagen und vor ein Gericht zu stellen - von Einzelfällen einmal abgesehen. Erst wenn der Kampf der USA gegen den Terror vorbei sei, so Rumsfeld, könne man eine Entlassung in Betracht ziehen - doch dies könne Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern. Rumsfeld stellt sich mit diesen Äußerungen offen gegen nachdrückliche Forderungen von Menchenrechts-Organisationen und dem Internationalen Roten Kreuz, ein Regelwerk zu schaffen, so dass die Internierten - die von den USA durch die Kennzeichnung als "feindliche Kämpfer" bewusst von der US-Gerichtsbarkeit ausgeschlossen wurden - erfahren, was ihr Schicksal ist. Doch auch Jim Payne, der Leiter des Gefangenenlagers, sagte am Donnerstag, die sich derzeit weiter im Ausbau befindliche Einrichtung werde "solange existieren, wie wir brauchen, um Erkenntnisse von Gefangenen zu gewinnen".Eine Horror-Vision und 31 Suizidversuche

Nur 68 Gefangene wurden bisher in ihre Heimatländer entlassen - vor allem Jugendliche und ältere Männer, die nach ausführlichen Verhören als eher harmlose Mitläufer eingestuft wurden und - zu Beginn des Irak-Kriegs - Platz für hochkarätigere Häftlinge machen sollten. Dennoch ist bisher offenbar noch keiner jener festgenommenen Iraker aus dem "Kartenspiel" der Meistgesuchten nach Kuba gebracht worden. Diese Gefangenen werden derzeit noch im Irak oder auf anderen US-Einrichtungen im Ausland festgehalten. Die trübe Aussicht, möglicherweise bis zum Lebensende in Guantanamo interniert zu werden, wird dabei offensichtlich als Druckmittel bei Befragungen angewandt, die auch neue Aufschlüsse über den Verbleib von Saddam Hussein liefern sollen. Denn unter den Loyalisten des flüchtigen Diktators gelte, so stellen es Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums dar, das Stichwort Guantanamo als Horror-Vision. Kein Wunder: Die Statistik der Lageraufsicht zeigt, dass seit dem Einzug der ersten Gefangenen aus dem Afghanistan-Feldzug dort 32 Selbstmordversuche unternommen wurden - was die medizinischen Verantwortlichen im Camp vor allem auf die Frustration der Häftlinge angesichts ihrer ungewissen Zukunft zurück führen.

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