Lernen unter Polizeischutz

BOSTON. Die Brandbriefe von Berliner Lehrern wegen der Gewalt an ihren Schulen haben eine hitzige Debatte über die Integration von Zuwandererkindern ausgelöst. Derweil ist in den USA längst Standard, was in Deutschland noch diskutiert wird: Polizeischutz in Schulen.

Die Eingangstür der Milford High School im Bostoner Vorort Framingham markieren Metalldetektoren. Auf den Fluren und dem Pausenhof gehen zwei Polizisten Streife - den Revolver, Reizgas, Gummiknüppel und Handschellen griffbereit. Schüler, die sich verdächtig verhalten, werden auf den Boden gezwungen und Leibesvisitationen unterzogen. Und wer es wagen sollte, eine Waffe - auch ein Schraubenzieher oder Küchenmesser gelten als solche - mitzubringen, für den gilt: Schulverweis und Anklage durch die Staatsanwaltschaft. "Seit wir Beamte einsetzen, sind die Straftaten an der Schule um 80 Prozent zurückgegangen", freut sich Polizeichef Paul Shastany, "und in den anderen 20 Prozent haben wir die Täter gefasst". Lernen unter Polizeischutz wie nun in der Berliner Rütli-Hauptschule - das gehört für die Lehrer und Schüler der Milford High School längst zum Alltag. Sie unterscheidet sich damit nicht von tausenden anderer US-Lehranstalten, bei denen Gewalt, Drogen und Bandenkriminalität dazu geführt haben, was man in Europa noch als "drastisch" einstufen und als "amerikanische Verhältnisse" deklarieren würde. Doch das blutige Massaker von Columbine im US-Bundesstaat Colorado, dessen sechster Jahrestag am 20. April ansteht und dem 16 Menschen zum Opfer fielen, hatte Schulverantwortliche unter Druck gesetzt. Selbst strenge Kontrollen an den Eingangstüren konnten jedoch nicht verhindern, dass im März 2005 in einer Schule im Red Lake-Indianerreservat nördlich von Minneapolis erneut zehn Menschen durch einen jugendlichen Amokläufer starben - darunter auch der Wächter, der solche Vorfälle verhindern sollte. Auch Schuldirektor John Brucato will nicht ausschließen, dass sich Columbine oder Red Lake School irgendwann wiederholen. Er und seine Kollegen setzen auf Prävention. Eingebunden sind dabei die Pädagogen: Sie melden, wenn Schüler den Unterricht schwänzen, nicht an freiwilligen Aktivitäten teilnehmen und Leistungsschwäche zeigen. Wichtigstes Instrument ist jedoch die Möglichkeit der Jugendlichen, anonym Tipps geben zu können. "Wir garantieren Vertraulichkeit und Schutz", versichert Schulleiter Brucato. Dies half, den Mord an einem 21-Jährigen zu lösen, der nach dem Schulbesuch erstochen worden war. Die Täter, ein 16- und ein 17jähriger Mitschüler, stellten sich, nachdem Jugendliche Hinweise gegeben hatten.

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