Dieselkonflikt in Rheinland-Pfalz: "Lieber Strom statt Diesel!"

Trier · Geht's um den Verbrennungsmotor, driften die Meinungen in der rheinland-pfälzischen Ampel auseinander. Grünen-Fraktionschef Bernhard Braun setzt sich dafür ein, dass das Land deutlich stärker E-Mobilität fördert.

 Bernhard Braun hat als einziger Abgeordneter in Rheinland-Pfalz eine eigene Steckdose für das Auto: Der 59-Jährige, der seit Mai 2016 Grünen-Fraktionschef ist, glaubt nicht an die Zukunft des Diesels. TV-Foto: Florian Schlecht

Bernhard Braun hat als einziger Abgeordneter in Rheinland-Pfalz eine eigene Steckdose für das Auto: Der 59-Jährige, der seit Mai 2016 Grünen-Fraktionschef ist, glaubt nicht an die Zukunft des Diesels. TV-Foto: Florian Schlecht

Foto: (g_pol3 )

Ministerpräsidentin Malu Dreyer sagt, die rot-gelb-grüne Koalition wolle keine Fahrverbote für Diesel im Land. Stimmen Sie zu?
Bernhard Braun: Zu 100 Prozent. Wir als Grüne wollen keine Fahrverbote in Rheinland-Pfalz.
Die Grünen im Bund werben für die blaue Plakette, die teilweise Fahrverbote bedeuten würde.

Warum stehen Sie der Ministerpräsidentin in dieser Frage näher?
Braun: Wir haben im Land eine andere Situation als in der Talkessellage von Stuttgart. In Rheinland-Pfalz sind die belastenden Stickoxid-Werte in Mainz, Koblenz und Ludwigshafen zu hoch. Dort müssen wir Maßnahmen ergreifen, bevor Gerichte Fahrverbote verhängen. Saubere Luft kriegen wir aber ohne Verbote hin: Die Städte können den öffentlichen Personennahverkehr auf Elektromobilität umstellen, auf Carsharing setzen und Radverkehr fördern.

Die Grünen-Landesvorsitzende Jutta Paulus nennt den Diesel in der Rhein-Zeitung "todgeweiht". Malu Dreyer sieht eine Zukunft für sauberen Diesel. Wer hat recht?
Braun: Ich glaube nicht, dass der Diesel zukunftsfähig sein wird.

Gibt es in der Diesel-Frage Streit in der Ampelkoalition?
Braun: Wir haben keine Konflikte, nur unterschiedliche Sichtweisen, wenn es um die Zukunft des Diesels geht. Für mich ist klar: Die Manager der Autoindustrie, die betrogen haben, werden die Zukunft nicht gestalten. Sie haben das Vertrauen verspielt.

Die Grünen-Fraktion im Land fordert in einem Konzeptpapier, dass 2030 kein Diesel mehr vom Band rollt. Ist das nicht utopisch?
Braun: Es muss doch möglich sein, in 13 Jahren die Produktion umstellen zu können.

Das dürfte Fahrer verunsichern, die jetzt Diesel fahren.
Braun: Noch mal: Wir fordern ja keine Fahrverbote. Die Verbraucher, die jetzt Diesel fahren, tragen keine Schuld, sie wurden belogen. Deswegen ist es wichtig, dass der entstandene Schaden von der Industrie übernommen wird. Komplett. Von der Nachrüstung über den Wertverlust bis hin zum Rückgaberecht.

Was kann die Landesregierung machen, um eine Diesel-Abkehr in Rheinland-Pfalz zu bewirken?
Braun: Ich bin davon überzeugt, dass sich die Elektromobilität durchsetzt. Da ist schon einiges passiert: In Mainz hat das Land mit einer Million Euro gefördert, dass künftig acht Wasserstoffbusse in der Stadt fahren. Im Westerwald ist ein Projekt gestartet, bei dem wir E-Mobilität im ländlichen Raum testen. Und wir verfügen über 293 Normalladestationen, die mit Unterstützung eines Bundesprogramms in den nächsten Monaten deutlich ergänzt werden.

Die Stadt Mainz sagt, ein Wasserstoffbus kostet 650 000 Euro, ein Diesel 250 000 Euro. Ohne Landeshilfen dürften Kommunen eine teure Umstellung ablehnen.
Braun: In unserem Koalitionsvertrag steht, dass wir emissionsfreie Busse fördern wollen. Die Ansätze sind vor vielen Jahren im Land leider immer weiter zurückgefahren worden. Ich kann mir vorstellen, dass wir hier wieder nachlegen.

Welcher Ansatz schwebt Ihnen vor?
Braun: Denkbar ist im nächsten Landeshaushalt eine Förderung im ein- bis niedrigen zweistelligen Millionenbereich.

Fahren solche E-Busse künftig auch durch Eifel und Hunsrück?
Braun: Die Busse dürften eher in den Städten gefragt sein. E-Autos setzen sich aber schneller im ländlichen Bereich durch.

Warum das?
Braun: Wer ein Eigenheim besitzt und E-Auto fährt, hat häufig eine Steckdose in der eigenen Garage, um seinen Wagen zu laden. In der Stadt ist das Aufladen schwieriger für Menschen, die in Hochhäusern wohnen und in Tiefgaragen parken. Dort fehlt es oft an Infrastruktur.

Die Grünen im Land fordern E-Ladesäulen im Umkreis von 20 Kilometern. Klingt übertrieben.
Braun: Natürlich soll nicht an jeder Stelle im Pfälzer Wald eine Ladesäule stehen. Wir müssen uns von der alten Vorstellung entfernen, dass Ladesäulen nur an Tankstellen stehen. Sie müssen da hin, wo gelebt wird, wenn ich ins Café, zum Arzt, Supermarkt oder meinem Stammtisch fahre - dort lade ich nebenbei mein Auto auf.

Und das Land hilft finanziell mit?
Braun: Wir haben nicht die finanziellen Möglichkeiten von Baden-Württemberg. Wir unterstützen planerisch: Seit einigen Monaten gibt es einen Lotsen der Energieagentur, der Kommunen gezielt berät, wo sie Ladesäulen am besten aufbauen können. Die Beratung zahlt das Land.

Es gibt Studien, die von einem massenhaften Stromverbrauch ausgehen, wenn mehr E-Autos fahren. Braucht es neue Kraftwerke?
Braun: Sollten im Land eine Million E-Autos fahren, dürfte der Strombedarf um zehn Prozent steigen. Das können wir meistern über erneuerbare Energien und Einsparungen.

Welches Auto fahren Sie?
Braun: Ich fahre einen Plug-In-Hybrid, der 44 Kilometer elektrisch fahren kann. Innerstädtisch ist das ideal. Nur an das Fahren muss ich mich manchmal noch gewöhnen. Wenn der Wagen im Elektrobetrieb ist, ist er ganz still. Auf Radfahrer und Fußgänger muss ich dann besonders aufpassen - sie können mich ja nicht hören.
Florian SchlechtInterview Bernhard BraunExtra: WAS DIE PARTNER IN DER AMPELKOALITION FORDERN


(flor) In der Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz gehen die Meinungen auseinander. Anders als es die Grünen in ihrem Positionspapier fordern, hält SPD-Fraktionschef Alexander Schweitzer ein "Exit-Datum für den Diesel nicht für sinnvoll". Für die Industrie gelte es nun, "sich auf den Hosenboden zu setzen und alternative Antriebsmodelle auf den Markt zu bringen". Der Vulkaneifeler FDP-Landtagsabgeordnete Marco Weber kündigt an, "dass wir uns an einem Abgesang am Verbrennungsmotor nicht beteiligen."

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