Lieber für vier Euro Pizza ausfahren

TRIER. Bei den Kindern hört der Spaß auf: Oma Thea Vogel ist empört über das Vorhaben der Bundesregierung, bei der Festlegung des Arbeitslosengeld-II-Satzes auch gespartes Geld der Kinder mit einzubeziehen.

"Opa Theodor würde sich im Grabe umdrehen", sagt Thea Vogel, als sie am Mittwochmorgen in der Zeitung liest, was jetzt aus der Hartz-Reform-Kiste zum Vorschein gekommen ist. "Sparbuch in Gefahr", steht im TV , und weiter: "Beim neuen Arbeitslosengeld II droht Erwerbslosen wegen der Anrechnung von Vermögen ihrer Kinder der Wegfall staatlicher Zuschüsse für den Nachwuchs, wenn ein Kindersparbuch ein Guthaben von mehr als 750 Euro aufweist." "Das darf doch nicht sein", ärgert sich die vierfache Oma. Seit ihr Mann Theodor vor zehn Jahren gestorben ist, sind die Enkel ihr Ein und Alles. Sie erinnert sich noch gut daran, wie Tim, mit jetzt 14 Jahren der Älteste, damals immer mit dem Opa in die Weinberge ging. "Der wird mal ein richtiger Winzer", hatte Theodor oft gesagt. Doch egal, für welchen Beruf sich Tim später entscheiden würde, Theas Mann wollte immer, dass seine Enkel es später einfacher haben als er selbst. Seit seiner frühen Jugend hatte Opa Vogel nur gebuckelt. Rund 3000 Euro hat er seinem Enkel Tim 1994 vererbt. Tobias, der Älteste von Theas Tochter Tina, der wenige Monate vor Opas Tod geboren wurde, bekam das Gleiche. Tobias ist jetzt zehn und absoluter Michael-Schumacher- und Auto-Fan. Er kann es kaum erwarten, bis er endlich denFührerschein machen darf. In den Ferien sind er und seine kleine Schwester Tabea fast immer bei der Großmutter. So wie jetzt. Mit großen Augen schaut Tobias seine Großmutter an, während sie kopfschüttelnd ihr Käsebrot schneidet. "Was meinen die damit, dass das Sparbuch in Gefahr ist?", fragt er seine Oma, und Thea erklärt es ihm. "Wenn deine Mama ihre Arbeit verliert und keine neue findet, dann bekommt sie irgendwann Geld vom Staat. Ihr braucht ja was zum Leben. Und der Staat guckt dann erst mal, ob ihr nicht Geld gespart habt - und wenn ja, dann zahlt er weniger. Du und deine Schwester müssten der Mama dann was von eurem Ersparten geben." Aber seine Mutter arbeite doch, meint Tobias. "Das stimmt", sagt die Oma. Doch wenn Thea ihre Tochter Tina im Umfeld der gesamten Hartz-Reformen sieht, vergeht ihr die Lust am Frühstück. Tina Vogel ist nicht gerade das, was man als sozial gefestigt bezeichnen würde. 19 war sie, als sie mit Tobias schwanger wurde, beide Kinder stammen von unterschiedlichen Vätern.Sparbuch der Kinder für Mutter tabu

20 Stunden pro Woche arbeitet die Mutter als Programmiererin an der Uni. Eigentlich würde sie gern ihr eigenes Atelier haben, denn Tina Vogel ist begeisterte Malerin und Kunstliebhaberin. Sollte sie irgendwann arbeitslos werden, hätte die Bundesregierung an ihrem Sparbuch keine Freude - das ist seit Jahren geplündert. Doch das Sparbuch ihrer Kinder würde Tina nie anrühren, ist sich Oma Thea sicher, eher würde sie für vier Euro die Stunde im Weinberg helfen oder Pizza ausfahren. "Muss ich dann mein Sparschwein hergeben, wenn Mama keine Arbeit mehr hat?", möchte die dreieinhalbjährige Tabea wissen. "Nein", beruhigt sie die Oma. "Alles dürfen die sich da in Berlin auch nicht erlauben, und viele sind ja auch dagegen", sagt sie. "Schließlich wollen die Politiker ja auch nicht, dass irgendwann ihr Sparbuch oder das ihrer Kinder geplündert wird, weil sie selbst arbeitslos sind."

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