Linke Konkurrenz für die Genossen

Berlin. Der frühere SPD-Chef Oskar Lafontaine will mit einem neuen Linksbündnis aus PDS und WASG drittstärkste Kraft bei der geplanten Bundestagswahl im September werden. Kurz nach der Einigung der Parteispitzen auf einen Schulterschluss für die Wahl kündigte Lafontaine am Freitag seine Spitzenkandidatur neben dem ehemaligen PDS-Vorsitzenden Gregor Gysi an.

Bodo Ramelow nahm ausgerechnet eine Anleihe von SPD-Altvater Willy Brandt, um seiner Freude Ausdruck zu geben: "Beide Seiten haben sich darauf verständigt, dass zusammenwachsen muss, was zusammen gehört". Neben dem Wahlkampfmanager der PDS strahlte auch der WASG-Vorsitzende Klaus Ernst: "Das ist ein richtig schönes Projekt". Nach wochenlangen Verhandlungen hinter verschlossenen Türen hatten sich die Spitzenvertreter beider Linksparteien in der Nacht zum Freitag auf ein Bündnis für die vorgezogene Bundestagswahl im September geeinigt. Die letzte Runde auf "neutralem Boden" in einem Berliner Hotel dauerte noch einmal fast fünf Stunden. Das entscheidende Wort haben nun die Parteigremien. Am Wochenende kommen die Vorstände von PDS und WASG zu getrennten Sitzungen zusammen. In der Zeit danach muss noch die Zustimmung der jeweiligen Basis eingeholt werden. Doch an einem positiven Votum zweifelt eigentlich niemand ernsthaft. "Wenn wir eine sozialistische Partei der Bundesrepublik wollen, dann ist das hier die letzte Möglichkeit", konstatierte PDS-Chef Lothar Bisky gegenüber unserer Zeitung. Andernfalls würden die Wähler die PDS zur Ostpartei machen. Als prominentes Zugpferd meldete sich umgehend Oskar Lafontaine zu Wort. Das Bündnis sei "eine große Chance in einer einmaligen Situation", schwärmte der Ex-Vorsitzende der SPD. Zugleich erneuerte der inzwischen aus der Partei ausgetretene Saarländer seine Absicht, neben Ex-PDS-Chef Gregor Gysi für das linke Zweckbündnis ins Rennen zu gehen. Während die PDS mit heute noch 60 000 Mitgliedern vor 15 Jahren aus der DDR-Staatspartei SED hervorging, hat sich die WASG erst vor rund einem Jahr aus Protest gegen die Agenda 2010 gegründet. Die Westlinken zählen etwa 6000 Mitglieder. Kern der Vereinbarung ist die Zusage der PDS, Mitglieder der WASG auf ihren offenen Wahllisten kandidieren zu lassen. Gegen diese Lösung hatten sich die Westlinken lange gesträubt, weil die Ost-Sozialisten in der alten Bundesrepublik kaum vermittelbar sind. Darüber hinaus wollen beide Parteien "innerhalb der nächsten zwei Jahre ein neues Projekt der Linken in Deutschland auf den Weg bringen". An dieser Stelle kam die Gysi-Truppe der WASG entgegen. "In der Tendenz soll eine Fusion angestrebt werden", sagte Wahlkampfleiter Ramelow unserer Zeitung. Der Zeitraum von zwei Jahren sei bewusst gewählt, um dann die übernächste Bundestagswahl ohne organisatorische Probleme anzugehen. Über die genaue Personalstruktur auf den PDS-Stimmlisten hüllte sich Ramelow in Schweigen. Das zähe Verhandlungspoker ging auf wahlrechtliche Probleme in dieser Frage zurück. So könnte beispielsweise eine paritätische Liste aus Kandidaten von PDS und WASG als unzulässige Listenverbindung gelten. Nach Angaben Ramelows dürfen auch Parteilose für das Linksbündnis kandidieren. Wahlforschern zufolge ist neben der SPD genügend Platz für eine alternative Partei. Immerhin 18 Prozent der Bundesbürger könnten sich vorstellen, ein solches Linksbündnis zu wählen. Der ehemalige Fraktionsvorsitzende der PDS im Bundestag, Roland Claus, warnte jedoch gegenüber unserer Zeitung davor, die Wahlergebnisse von PDS und WASG einfach zu addieren und daraus einen lockeren Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde abzuleiten. "Da gibt es auch gegenläufige Tendenzen". Wegen des Zusammengehens sei ein Teil der ostdeutschen PDS-Wählerschaft verunsichert. "Und im Westen spielt der Antikommunismus eine große Rolle." Als sicher gilt, dass das PDS-Kürzel auch auf westdeutschen Wahlzetteln stehen wird. Strittig ist noch ein Namenszusatz. Hier favorisierten beide Seiten zunächst "Demokratische Linke/PDS". Doch eine Splitterpartei namens "Demokratische Linke" hat dagegen schon rechtliche Schritte angedroht. Aus den Reihen der Sozialdemokraten kam bereits ein spöttischer Vorschlag: "Vereinigte Selbstdarsteller/PDS".

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