London soll die Zeche in Euro bezahlen

Brüssel · Die Vorbereitungen für die Brexit-Verhandlungen sind schon weit gediehen. Am Samstag will die EU der 27 bei einem Sondergipfel die Verhandlungsleitlinien beschließen.

Brüssel Die Vorbereitungen der EU der 27 für die Brexit-Verhandlungen sind weit fortgeschritten. Am Samstag wollen die 27 Staats- und Regierungschefs bei ihrem Sondergipfel die Verhandlungsleitlinien beschließen. Derzeit legen die Unterhändler der nationalen Regierungen letzte Hand bei den Formulierungen an. Wie zu hören ist, gibt es in der Sache keine Differenzen. Die Leitlinien sollen die politischen Positionen markieren, mit denen der Chefunterhändler der EU, der Franzose Michel Barnier, und sein Team von Experten der EU-Kommission dann in die konkreten Verhandlungen gehen.
Die Verhandlungen mit London werden erst nach der Unterhauswahl am 8. Juni beginnen, da das Parlament in der ersten Maiwoche aufgelöst wird. Bereits jetzt zeichnet sich aber ab, wie Barnier sie angehen will. In einer ersten Phase, die etwa bis in den Herbst gehen soll, will er sieben Kapitel verhandeln. Darunter die Rechte der Bürger nach dem Austritt, die Schlussrechnung an die Briten, die Grenze mit Irland und Nordirland, die Zukunft der britischen Militärbasen auf Zypern sowie ein Mechanismus, um Streit zwischen London und Brüssel beizulegen. Erst wenn hier, wie bewusst vage formuliert wird, "ausreichende Fortschritte" erzielt sind, soll es im zweiten Teil der Verhandlungen um die Zukunft gehen: also die künftigen Beziehungen zwischen London und Brüssel, ein Freihandelsabkommen sowie die fälligen Übergangsregelungen.
In Brüssel wurde mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, dass die EU der 27 bereits in einigen Punkten London die Strategie aufzwingen konnte. So ging die britische Premierministerin Theresa May in dem Austrittsschreiben von Ende März noch davon aus, dass binnen der Zwei-Jahresfrist, die der Lissabon-Vertrag für die Brexit-Verhandlungen vorsieht, auch ein Freihandelsabkommen stehen könne. Nun spricht sie bereits davon, dass London das Abkommen wohl schon als Drittstaat mit der EU verhandeln werde. Auch fällt auf, dass London zuletzt Drohungen Richtung Kontinent weitgehend unterlässt. So ist nicht mehr von einem aggressiven Steuer- und Standortwettbewerb die Rede, auch die Einschätzung "no deal is better than a bad deal" (kein Abkommen ist besser als ein schlechtes Abkommen) wurde nicht mehr wiederholt.
Barnier wird den Briten zum Verhandlungsbeginn bittere Pillen servieren. So muss London die Schlussrechnung in Euro bezahlen. Damit sichert sich Brüssel gegen Währungsrisiken ab, es wird nicht ausgeschlossen, dass das Pfund weiter abschmiert. Auch müsse London die Kosten für den Umzug der beiden in London ansässigen EU-Agenturen auf den Kontinent bezahlen. Damit ist auch klargestellt, dass sich London keine Hoffnung auf die Bankenaufsichtsbehörde EBA und die Arzneimittelagentur EMA machen kann. Bislang hatte Großbritannien den Umzug gern als "Verhandlungssache" bezeichnet. Ein Sprecher der EU-Kommission stellte inzwischen noch einmal klar, dass die Agenturen zwingend ihren Sitz auf EU-Gebiet haben müssten.
Wie man hört, ist Brüssel verärgert, weil London im Austrittsschreiben eine künftige Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik an den erfolgreichen Abschluss eines Freihandelsabkommens geknüpft hat. Dies wird in Brüssel als Drohung empfunden.

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