Machtfrage vertagt

BERLIN. Die Union hat sich zu einem Kompromiss in der Haltung zum Vorziehen der Steuerreform durchgerungen. Doch die Machtfrage zwischen Angela Merkel und Roland Koch ist damit noch nicht geklärt.

Jürgen Rüttgers, der CDU-Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen, und Hermann-Josef Arentz, Chef der CDU-Sozialausschüsse, feixten nach der mit Spannung erwarteten Präsidiumssitzung ihrer Partei wie die Schulbuben. Machtfrage, Machtfrage, "welche Machtfrage?", grinste Arentz amüsiert den Pulk von Journalisten an. "Es gibt keinen Machtkampf", kommentierte Rüttgers ebenso viel sagend - "Stimmung ist gut, Wetter ist schön", so der Mann aus NRW. Als ob nur die Medien einen Streit um die Vorherrschaft in der Union zwischen CDU-Chefin Angela Merkel und dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch herbei geschrieben hätten. Beobachtete man gestern Merkel wie Koch, konnte man fast glauben, dass all die Berichte vom Wochenende über den partei-internen Streit um das Vorziehen der Steuerreform, um die Frage darüber, wer in der Union das Sagen hat, wenig dramatisch waren. Ungewohnt zugeknöpft gaben sich beide, die Debatte wolle er nicht mehr weiterführen, meinte Koch. Es sei nur um kleine "Einschätzungsunterschiede" und Nuancen gegangen. Allerdings einmal mehr mit großer Wirkung, denn Merkel und ihre Führungsstärke waren erneut durch den Hessen und seine ablehnende wie abweichende Position zum Vorziehen der Steuerreform in Frage gestellt worden. Über die Beschlüsse des Präsidiums hinaus wolle sie keine "Nebenbemerkungen" machen, kommentierte die Ostdeutsche zunächst. Soll heißen, bislang wurden die Christdemokraten beim Vorziehen der Steuerreform vom Kanzler und von ihrer inneren Zerstrittenheit getrieben. Den Spieß wollen sie nun umdrehen. Das Präsidium erinnerte sich deshalb an die Ergebnisse der Klausurtagung im brandenburgischen Bad Saarow vor wenigen Wochen. Man sei für das Vorziehen der Steuerreform, meinte die CDU-Chefin damals wie heute, aber nur, "wenn es seriös finanziert wird". Der Kanzler müsse nun Vorschläge auf den Tisch legen, weil das die Aufgabe der Regierung und nicht der Opposition sei. "Dann werden wir entscheiden." Die Union will es sich also einfach machen, ihren Zoff erklärt sie formal für beendet. Aber spätestens, wenn Gerhard Schröder Ernst macht und seine Pläne vorstellt, sind die C-Parteien wieder in der Defensive - Streit ist programmiert, und zwar darüber, was "seriös" heißt. So gehen die Meinungen wie bei einem "Hühnerhaufen" (Merz) schon in der Frage auseinander, ob eine höhere Neuverschuldung zur Gegenfinanzierung der Reform akzeptabel ist oder nicht. Das Wort "Machtkampf", so Merkel später, sei wenn nur "in der Verneinung" während der Sitzung gefallen. Jeder wisse nun, was "verantwortungsvolles Verhalten" bezüglich der Union bedeute. Aber weiß das auch Roland Koch? Und wie lange wird er sich daran erinnern? Der ambitionierteMinisterpräsident warnte CDU und CSU zwar davor, "das journalistische Sommerloch" mit dem internen Streit und mit der Debatte über eine Kanzlerkandidatur zu füllen. Aber klar ist: Merkel läuft sich für 2006 warm. Koch unüberseh- und unüberhörbar ebenso. Wann immer die CDU-Chefin in die Kritik zu geraten scheint, werden ihre Getreuen nicht müde zu betonen, dass sie als Partei- und Fraktionsvorsitzende das erstes Zugriffsrecht auf eine Kandidatur habe. Und Koch nährt gerne durch Attacken aus dem Hessenland die Spekulationen über seine Pläne, wenn möglich von Wiesbaden nach Berlin zu wechseln. Der Showdown in der Machtfrage zwischen beiden ist somit nur vertagt.

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