"Man stößt regelmäßig in unentdecktes Neuland vor"

Trier · Ein Archäologe erklärt, warum ihn sein Beruf fasziniert.

 Hans Nortmann. Foto: Privat

Hans Nortmann. Foto: Privat

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Hans Nortmann ist der leitende Landesarchäologe in Trier und Experte für die Eisenzeit, in der keltische Stämme die Region besiedelten. Seit 33 Jahren forscht er schon in der Region. Diesen Sommer geht er in den Ruhestand. Unsere Redakteurin hat mit ihm über die Bedeutung unwichtiger Scherben und seinen spektakulärsten Fund gesprochen.

Herr Dr. Nortmann, was fasziniert Sie an der Archäologie?
Hans Nortmann: Archäologie ist Forschung. Man stößt regelmäßig in unentdecktes Neuland vor - und das kann man nicht von vielen Wissenschaften sagen. Bei den historischen Wissenschaften ist es oft so, dass sie immer wieder über den gleichen Schriftquellen brüten. Das ist in der Archäologie anders. Da gibt es neue Funde, die tatsächlich manchmal bewährtes Wissen infrage stellen oder völlig umwälzen. Dieses Suchen und Finden neuer Erkenntnisse ist spannend.

Macht es denn Spaß, haufenweise Scherben zu sichten?
Nortmann: Archäologie ist auch schön, weil sie so handfest ist: Man kann die Objekte anfassen und bildet sich gelegentlich ein, ganz nah an den Menschen zu sein. Man sollte aber nicht zu sehr romantisieren. Scherben und Münzen sind doch manchmal sehr gleichförmig, alltäglich und nicht wichtig. Aber diese unwichtigen Dinge benutzen wir, um in die Vergangenheit vorzudringen.

Was war die schönste Erkenntnis, die Sie gewonnen haben?
Nortmann: Nachdem ich 20 Jahre hier war, habe ich gemerkt, dass das, was ich häppchenweise herausgefunden hatte - bei keltischen Gräberfeldern oder Befestigungen - sich zu einem Gesamtbild rundet. Mein schönster Fund steht in der Dauerausstellung des Museums: der Grabfund von Wintrich - ein in der keltischen Welt einmaliges Pferdegeschirr aus einem reichen Kriegergrab von 400 vor Christus. Das Teil ist so kompliziert und so reich verziert, da kann man so viele Fragen stellen, Antworten bekommen und Bezüge herstellen. Das ist schon spektakulär.

Welche Antworten hat der Fund Ihnen gegeben?
Nortmann: Das Geschirr hat meine Vorstellung von keltischen Prunkgräbern bestätigt. Das Grab ist ein typischer Vertreter mit prächtigen Beigaben und Fundstücken, die oft aus Südeuropa stammen, gelegen an einem Engpass, an dem jeder vorbeimusste. Jedes Gräberfeld, das wir hier aus dieser Zeit haben, hat mindestens ein solches Ausnahmegrab. Dort wurden keine Fürsten bestattet, sondern der lokale Adel kleiner Gemeinschaften. Mit dem Fund hat sich für mich alles gerundet.

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