"Manche sehen einfach Rot"

TRIER. Noch sind die Motive unklar: Warum musste die 26-jährige Nicole Clerf sterben? Vieles deutet auf eine Eifersuchtstat hin. Darüber sprachen wir mit einem Kölner Psychologen.

Trennungsangst, Angst vor dem Alleinsein, Eifersucht - das sind für den Kölner Psychologen Christian Lüdke, der Opfer von Gewalttaten betreut, mögliche Motive für die Tötung der 26-jährigen Nicole Clerf. Vieles spreche dafür, dass ihr Ex-Freund sie bestrafen wollte - dafür, dass sie sich getrennt hatten. "Solche Täter handeln oft aus gekränkter Eitelkeit. Sie sagen sich: Wenn ich dich nicht haben kann, dann soll dich auch kein anderer haben." Vor allem, wenn der Ex-Partner in einer neuen Beziehung lebe, breche für solche Menschen, die laut Lüdke häufig eine depressive Grundstimmung haben, eine Welt zusammen. "Sie haben Angst, ihr Gesicht zu verlieren, ihr Selbstwertgefühl ist verletzt." Sie würden mit der neuen Situation einfach nicht fertig. Die Belastung sei einfach zu groß. Irgendwann kommt es zum Kurzschluss

Bis zum Gewaltausbruch ist es bei vielen jedoch ein weiter Schritt. Die Wut auf den Ex-Partner staut sich auf, sie geben ihm die Schuld, dass die Beziehung in die Brüche gegangen ist. "Sie reden ihm massive Schuldgefühle ein, machen ihn für alles verantwortlich." Und bei einigen, so sagt Lüdke, löst das heftige Aggressionen aus - bis hin zu Gewalttaten. "Irgendwann kommt es zum Kurzschluss. Sie sehen Rot und greifen den Ex-Partner an." Impulskontrollstörung nennen das die Experten. Normalerweise halten Menschen ihre Aggressionen unter Kontrolle. Sie rasten zwar möglicherweise aus, denken vielleicht auch daran, Gewalt auszuüben -, doch bis zu einer Tat komme es meistens nicht. Dafür sei die Hemmschwelle zu groß. Doch bei einigen funktioniere diese Kontrolle eben nicht. Dieses Verhalten sei ein häufiger Auslöser für Beziehungstaten, erklärt der Kölner Psychologe. Die Täter lebten - wie auch der Tatverdächtige in der Eifel - häufig ein bis dahin vollkommen unauffälliges Leben. Danach sind alle fassungslos

"Kaum einer traut denen so etwas zu. Danach sind alle fassungslos." Keine Seltenheit sei es auch, dass solche Täter mit einer gewissen Kaltblütigkeit vorgehen, das Verbrechen genau planen und eben nicht im Affekt handeln. "Viele legen dabei kriminelle Energie an den Tag." Sie legen falsche Spuren, lassen Beweismittel verschwinden. Das geschehe jedoch in vielen Fällen nicht, um die Polizei zu täuschen, sondern aus "reinem Selbstzweck". "Die wollen den Ex-Partner nicht nur durch dessen Tod aus ihrem Leben verschwinden lassen, sondern auch dadurch, dass sie alles von ihm vernichten." Doch wie lange kann ein Mensch mit einer solchen Tat leben, ohne darüber zu sprechen? Es könne sein, dass ein Täter mehrere Wochen lang schweige. Doch in der Regel vertrauten sie sich Freunden oder Verwandten an. Oder sie prahlten mit ihrer Tat, ohne jedoch genaues zu verraten. Lüdke: "Keiner hält das lange aus."

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