Manchmal reicht eine Kleinigkeit

Körperlich sind Demenzkranke oft nicht eingeschränkt, im Gegenteil: Viele sind topfit. Kombiniert mit dem typischen Weglauftrieb führt das zu problematischen Situationen. Aber die richtige Wohnungseinrichtung kann helfen. Renovierungsmaßnahmen verhindern auch Sicherheitsprobleme.

Trier. Auf dem Weg durch den Flur erschrickt er vor dem eigenen Spiegelbild. Wann er den Herd angeschaltet hat, weiß er nicht mehr. Die eigene Wohnung ist ihm plötzlich fremd. So kann es einem Demenzkranken gehen, der sich nicht mehr im eigenen Zuhause zurechtfindet.

Ilse-Maria Engel-Tizian ist Architektin und hat sich schon lange sozialen Belangen verschrieben. Die gebürtige Österreicherin arbeitet seit 1995 für die "Landesberatungsstelle Barrierefrei Bauen und Wohnen". Im Rahmen ihrer Arbeit berät sie unter anderem Angehörige von Demenzkranken telefonisch, schriftlich oder bei persönlichen Gesprächen. Teilweise fährt sie dabei bis an die belgische Grenze.

Gerade in den ländlichen Regionen sei die Arbeit schwierig, erzählt Engel-Tizian. Alte Bauernhäuser erlauben oft keine baulichen Änderungen. Extrem wichtig für die Arbeit der Architektin ist die Prüfung des Einzelfalls.

Je nach Stadium der Krankheit bieten sich unterschiedliche Maßnahmen an. Dazu muss die Architektin eng mit den Angehörigen zusammenarbeiten. Nur so kann sie sich die Wohn- und Lebenssituation der Demenzkranken vergegenwärtigen und bauliche Maßnahmen empfehlen, die deren Lebensqualität verbessern können. Allgemein gilt: Durch helle und schattenfreie Beleuchtung mit Licht von oben können optische Täuschungen vermieden werden, und rutschfeste Bodenbeläge sowie technische Hilfen wie Haltegriffe sind sinnvoll. "Ich würde auch die Schränke verglasen", sagt Engel-Tizian. "Demenzkranke Menschen können sich ja oft nicht erinnern, was sich in den Schränken befindet, und so können sie es sehen."

Empfehlung: Verzicht auf Überflüssiges



Die Wohnung sollte insgesamt möglichst transparent sein. Das gilt auch für Wände und Türen - zum Beispiel durch Glasfenster oder Türen aus bruchsicherem Glas.

Im zweiten Stadium der Krankheit sollte man überflüssige Türen aushängen, auf gemusterte Tapete und unnötige Möbel verzichten. Beim Fußboden sind die Materialien Holz, Linoleum oder Teppich vorzuziehen, bei der Farbe Erdtöne wie gelb, braun oder rot. Plötzliche Farbkontraste und Fliesen können den Erkrankten hingegen verschrecken.

Sicherheitsmaßnahmen werden bei fortschreitendem Krankheitsbild immer wichtiger: Scharfe Kanten abrunden oder polstern, Elektrokabel sichern oder einen Verbrühschutz in Warmwasserarmaturen einbauen. Ebenso bieten sich eine Herdsicherung und Rauchmelder zum Schutz vor Feuer an. Um Wasserschäden zu vermeiden, sollte man Wasserstopp- und Ablaufvorrichtungen einbauen und Ablaufsiebe verwenden. Spiegel und spiegelnde Oberflächen müssen abmontiert oder bedeckt werden. Demenzkranke erschrecken sich - je nach Stadium der Erkrankung - vor ihrem eigenen Spiegelbild.

Eine Möglichkeit, den Betroffenen trotz fortschreitender Symptome ein relativ angenehmes Leben zu bewahren, ist die Installation von älteren Geräten und Armaturen: zum Beispiel Radio statt Stereoanlage und Wasserhähne mit Mischbatterie und zwei Reglern statt Thermostat-Armaturen. "Bei der Einrichtung kann man 30 oder 40 Jahre zurückkurbeln", sagt Engel-Tizian.

Zur Ablenkung ein Klangspiel



Um den Weglaufdrang von Demenzkranken zu kontrollieren, hilft ein Vorhang vor der Wohnungstür oder ein Anstrich der Tür mit der Wandfarbe. Manche Familien drehen auch einfach die Türklinke um, so dass sie zum Öffnen nach oben bewegt werden muss. Klingt skurril, reicht aber oft schon aus. Auch ein Klangspiel kann den Erkrankten ablenken.

"Bei der Planung von Seniorenheimen muss man einen Rundweg im Grundriss aufnehmen", sagt Engel-Tizian. Die Demenzkranken kommen so immer wieder dort an, wo sie losgelaufen sind. Zur Strukturierung des Tagesablaufs können große Uhren, "Aufgaben-Tafeln" und Kalender beitragen. Nicht alles muss dabei einen großen Aufwand verursachen.

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