Mann der alten Garde

AUGSBURG. (bb) Von altem Schrot und Korn: Ex-Landwirtschaftsminister Ignaz Kiechle starb gestern nach langer Krankheit im Alter von 73 Jahren. Politiker aller Parteien würdigten sein Verhandlungsgeschick und seinen großen Sachverstand.

Er war der klassische Bauernminister. Ausgestattet mit dem praktischen Wissen des gelernten Landwirts, der bis zu seinem Einzug in den Deutschen Bundestag 1969 selbst den elterlichen Bauernhof geführt hatte, brachte Ignaz Kiechle alle fachlichen Voraussetzungen für das Amt des Landwirtschaftsministers mit. Die politischen Kniffe hatte sich der gebürtige Allgäuer in der CSU abgeguckt, für die er im Orts-, Kreis- und Bezirksvorstand der CSU-Schwaben saß. Und die stoische Ruhe sowie das notwendige Sitzfleisch erwarb sich Kiechle in langen Nachtsitzungen der EG (heute EU) in Brüssel. Am Dienstag ist der ehemalige Bundesminister nach langer Krankheit im Alter von 73 Jahren verstorben. Kiechle war ein Mann der alten Garde, ein "Vollblutpolitiker von altem Schrot und Korn", wie ihn der CSU-Landesgruppenvorsitzende Michael Glos würdigte. Fern jeder Eitelkeit versuchte der stets gemütlich wirkende Bayer und Bauer, seine Pflicht zu erfüllen und ansonsten nicht groß aufzufallen im "Raumschiff Bonn", das so viele exaltierte Gestalten beherbergt hat. Im der Öffentlichkeit kaum noch aufgetreten

Immerhin zehn Jahre lang hielt er unter Kanzler Helmut Kohl den Stuhl des Landwirtschaftsmini-sters besetzt, bis ihn eine schwere Krankheit 1993 zum Rückzug zwang. Ein Jahr später schied er auch aus dem Bundestag aus und beendete seine politische Karriere, die ihn aus dem kleinen Nest Sankt Mang (heute zu Kempten gehörig) bis in die europäischen Ministerkonferenzen gebracht hatte. In Brüssel hatte er auch beinahe mehr zu tun als zuhause, wo ihn die Bauernlobby weitgehend in Ruhe ließ, weil er die Interessen der Agrarbranche zu ihrer Zufriedenheit vertrat. Vergeblich war allerdings sein Kampf gegen die Überproduktion in der Europäischen Gemeinschaft, wo er sich den Ruf des "Monsieur Non" erwarb. Dafür konnte er es jedoch als Erfolg verbuchen, in den Gatt-Verhandlungen verhindert zu haben, dass die europäische Agrarwirtschaft "den Launen des Weltmarkts" (Glos) ausgesetzt wurde. Kiechle, der nicht den Typ des politischen Strippenziehers verkörperte, und sich auch in anderen politischen Fragen eher zurück hielt, verbrachte seine Zeit als Rentner auf dem Bauernhof im Allgäu. In der Öffentlichkeit trat er nicht mehr häufig auf - bis auf einen Werbespot, den er für eine Joghurt-Firma drehte. Politiker aller Parteien würdigten Kiechle am Mittwoch als "fairen Verhandlungspartner mit großem Sachverstand und politischem Geschick".

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