Mauern des Hasses und Misstrauens

TRIER. Der Trierer Bischof Reinhard Marx ist derzeit viel auf Tour. Letzte Woche Israel, heute Berlin. Beim einem "Boxenstopp" in Trier sprach er mit dem TV über die nach der Nahost-Reise der deutschen Bischöfe aufgekommene Kritik.

 Der Trierer Bischof Reinhard Marx. TV-Foto: Friedemann Vetter

Der Trierer Bischof Reinhard Marx. TV-Foto: Friedemann Vetter

Was ist Ihre Meinung zu der Äußerung Ihres Kollegen Hanke, der das Warschauer Ghetto mit dem Ghetto in Ramallah verglichen hat?Marx: Die schwierige Situation der Palästinenser hat uns Bischöfe vor Ort tief bewegt und erschreckt. Sicher sind in diesem Zusammenhang Worte gefallen, die nur aus dieser menschlichen Erschütterung zu erklären sind und mittlerweile auch selbstkritisch bedauert wurden. Das ändert aber nichts an unserer Kritik an den Lebensumständen, die der palästinensischen Bevölkerung zugemutet werden. Beides haben wir Bischöfe mit gleichem Nachdruck thematisiert: das Leid der israelischen Bevölkerung durch die Bedrohung des palästinensischen Terrorismus und das Leid der Palästinenser durch Maßnahmen des israelischen Staates. Mauern und Zäune können kein Weg in eine friedliche Zukunft sein. Wie kommentieren Sie die teils heftigen Reaktionen von jüdischer und israelischer Seite, etwa die Äußerung des Zentralrats-Vizepräsidenten Dieter Graumann "Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr"?Marx: Ich halte das wirklich für eine "Überreaktion" auf Bemerkungen von Bischöfen, die aus einer verständlichen, großen emotionalen Betroffenheit heraus gefallen sind. Ich hoffe sehr und bin sehr zuversichtlich, dass die guten Beziehungen zwischen der Bischofskonferenz und dem Zentralrat der Juden nicht auf Dauer belastet sein werden. Kardinal Lehmann hat in Jad Vaschem und in der Abschlusserklärung die unverändert klare Haltung der deutschen Bischöfe zum Ausdruck gebracht. Wichtig ist festzuhalten, dass unsere Kritik sich an die Adresse des israelischen Staates und nicht an die jüdische Religionsgemeinschaft gerichtet hat. Deswegen ist die Unterstellung angeblicher "antisemitischer" Tendenzen von einzelnen Bischöfen ebenso unakzeptabel. Was waren Ihre prägenden Eindrücke bei der Nahost-Reise?Marx: Es sind sehr gemischte Gefühle, die mich auch jetzt noch bewegen. Gemeinsam mit den anderen Bischöfen am Ufer des Sees Genezareth zu stehen, wo Jesus die ersten Apostel berufen hat, ist eine besondere Erfahrung. Weniger hoffnungsvoll habe ich die politischen Aspekte der Reise erlebt. Mit Erstaunen konnten wir erfahren, welch große Hoffnung sowohl Palästinenser als auch Israelis auf die Rolle Deutschlands im Friedensprozess setzen. Doch die Mauern des Hasses und des Misstrauens zu durchbrechen, ist eine gewaltige Aufgabe. S Mit Bischof Marx sprach TV-Redakteur Rolf Seydewitz.

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