Mehr Bildung für mehr Betreuung

Nach dem Willen der Bundesregierung soll bis 2013 für jedes dritte Kind unter drei Jahren ein Krippenplatz zur Verfügung stehen. Das entspricht einer Verdreifachung des heutigen Angebots auf rund 750 000 Plätze. Von den qualitativen Anforderungen ist hingegen kaum die Rede.

Berlin. Dass Deutschland international das Nachsehen hat, belegt eine Analyse von Bildungsexperten im Auftrag der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Ohne "umfassende Reformen", so ihr Fazit, bleibt die Qualität der frühkindlichen Bildung ein hoffnungsloser Fall. Zu lange habe die Frage der Kinderbetreuung unter dem Diktum des "Kinderhütens" gestanden, das "als vergleichsweise bildungs- und erziehungsferne Tätigkeit aufgefasst wurde", klagt die Familienexpertin der Stiftung, Christine Henry-Huthmacher. Dabei seien die Aufnahmebereitschaft und der Erkundungsdrang gerade in den ersten Lebensjahren besonders stark ausgeprägt. Schon vor drei Jahren war die internationale Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zu dem vernichtenden Schluss gekommen, dass die Qualitätsstandards deutscher Kindertagesstätten zu niedrig und zu anspruchslos seien. Neben einer schlechten Bezahlung der Erzieherinnen wurde damals auch deren unzureichende Ausbildung bemängelt. Nach Einschätzung der Sachverständigen für Frühpädagogik, Ilse Wehrmann, liegt Deutschland bei den Bildungsstandards für die Jüngsten im internationalen Vergleich um etwa 15 bis 20 Jahre zurück. Als Ursachen nennt sie die schwer durchschaubaren Zuständigkeiten im föderalen System sowie die Vielzahl von Trägern bei der frühkindlichen Betreuung. "Jedem Träger ist es ist es selbst überlassen, ob er einen Bildungsplan einführt und jeder Erzieherin bleibt es überlassen, ob sie ihn umsetzt", kritisiert Wehrmann. Abhilfe könne ein Staatsvertrag schaffen, in dem sich die Bundesländer über einheitliche Bildungsstandards verständigen. Ferner pocht Wehrmann auf eine Neuausrichtung der pädagogischen Ausbildung: Der Grund: "Der Bereich der unter Dreijährigen wird in der Erzieherausbildung nur am Rande gestreift." Betroffen wären etwa 325000 Erzieher im Land. Zugleich sollte die Aus- und Weiterbildung auf Hochschulniveau angehoben werden. Bleibt noch ein westdeutsches Sonderproblem: Besonders in Bayern und Baden-Württemberg soll der wachsende Betreuungsbedarf nicht in erster Linie durch Krippen, sondern durch Tagesmütter gedeckt werden. Auch für sie fordert die Experten-Analyse eine kontinuierliche Weiterbildung. Eine entsprechende Teilnahme könnte dabei wie in Frankreich mit Zertifikaten betätigt werden. Den Ruf nach einem umfassenden pädagogischen Konzept für die Jüngsten wird Familienministerin Ursula von der Leyen gern hören. Schließlich gilt die streitbare CDU-Politikerin als Auslöser der ganzen Diskussion. Ihr Parlamentarischer Staatssekretär, Hermann Kues (CDU), weist indes darauf hin, dass die "erste Bildungseinrichtung" nach wie vor die Familie sei und der Staat nur für "Rahmenbedingungen" sorgen könne. Der Einwand kann freilich nicht darüber hinweg täuschen, dass viele Eltern - insbesondere mit Migrationshintergrund - ihrem "Bildungsauftrag" für den Nachwuchs immer unzureichender gerecht werden.Krippenbetreuung Die Krippenbetreuung für unter Dreijährige ist laut Studie in Ost und West höchst unterschiedlich: Während in den neuen Ländern der Bedarf praktisch gedeckt ist, steht im alten Bundesgebiet durchschnittlich nur für knapp acht Prozent der Jüngsten ein Platz zur Verfügung. Den schlechtesten Wert erzielt Niedersachsen mit 5,1 Prozent, den besten das Saarland mit 10,2 Prozent. Im Osten liegt Sachsen-Anhalt an der Spitze. Auf jedes zweite Kind unter drei Jahren kommt dort ein Betreuungsplatz.

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