Merkel macht London ein bisschen Mut

Brüssel · Die Bundeskanzlerin glaubt, dass bis Weihnachten der Durchbruch in der ersten Phase der Brexit- Verhandlungen zu schaffen ist.

Brüssel Wenn die Staats- und Regierungschefs bei EU-Gipfeln Tacheles reden wollen, treffen sie sich in der kleinen Runde. Dann ist die EU der 27 unter sich, und die britische Premierministerin Theresa May ist nicht dabei. So ist es auch am Freitag. May ist wieder auf dem Weg zum Flughafen, als das Thema Brexit aufgerufen wird.

EU-Chefunterhändler Michel Barnier trägt vor, wo es nach fünf Verhandlungsrunden noch hakt. Zwar sei die Rede der schwer angeschlagenen britischen Regierungschefin in Florenz eine Zäsur zum Besseren gewesen. Da hatte sie sich erstmals dazu bekannt, dass Großbritannien zu den Zahlungsverpflichtungen steht, die das Land während der EU-Mitgliedschaft eingegangen ist. Auch bei den Rechten von rund vier Millionen EU-Bürgern nach dem Austritt habe es Fortschritte gegeben. Man sei sich im Grunde auch bei der Irland-Frage einig. Das Karfreitagsabkommen müsse gewahrt werden, das den Frieden zwischen der Republik und dem Königreich sichert. Doch unter dem Strich seien eben noch nicht die notwendigen substanziellen Fortschritte erzielt worden, um die zweite Phase der Verhandlungen einzuläuten, in denen London und Brüssel über die gemeinsamen Beziehungen in der Zukunft reden wollen. Bevor es so weit ist, müsse das Vereinigte Königreich konkret sagen, wie viele Milliarden das Land bereit sei zu zahlen.

Die deutsche Kanzlerin ist es, die May immerhin etwas Mut macht. Sie zeigt London eine konkrete Perspektive auf. Ihre Botschaft: Bis zum nächsten Gipfeltreffen im Dezember könne man die Nüsse knacken. "Ich habe da eigentlich überhaupt gar keinen Zweifel, wenn wir geistig alle klar sind", hatte Angela Merkel kurz nach Mitternacht bereits gesagt. Sie sehe "null Indizien dafür, dass das nicht gelingen kann". Da werde es ohnehin noch viel schwierigere Verhandlungen geben, sieht die Kanzlerin voraus: "Die Verwebungen zwischen Großbritannien und dem Rest der EU sind doch sehr intensiv."

Das hört sich bei dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron deutlich verhaltener an. Er spricht am Ende des Gipfels davon, dass Großbritannien noch viel abräumen müsse.

Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist nicht euphorisch: "Ich werde nichts über den Brexit sagen, weil es nichts über den Brexit zu sagen gibt." Offizielle Lesart ist aber, dass man nicht in die zweite Phase einsteigt. Vielmehr wird die EU der 27 ab jetzt die zweite Phase vorbereiten.

EU-Ratspräsident Donald Tusk formuliert das so: "Der Gipfel hat beschlossen, dass wir mit den vorbereitenden Diskussionen beginnen. Dabei geht es um die Gestaltung der künftigen Beziehungen und um eine mögliche Übergangsvereinbarung."

Für die Zukunftsdebatte der EU hatte die Gipfelregie gerade einmal anderthalb Stunden während des Frühstücks angesetzt. EU-Ratspräsident Donald Tusk hat auf Initiative von Merkel die anstehenden Reformen in einen Kalender eingetragen. Bis zur Wahl zum Europaparlament im Frühjahr 2019 jagt ein Gipfel den nächsten. Baustellen gibt es viele. Die dicksten Brocken sind die anstehende Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion sowie die Einigung auf eine gemeinsame Asylpolitik. Das Drehbuch sieht bei beiden wichtigen Themen aber erst im kommenden Sommer Entscheidungen vor. Es herrscht Aufbruchsstimmung in Brüssel. Doch man muss sich gedulden.

Dies gilt auch bei dem Thema, das dem französischen Präsidenten besonders wichtig ist: Steuern für die Digitalunternehmen Google und Co. Hier tritt vor allem Luxemburg auf die Bremse.

So habe das kleine Land, das etwa Amazon und andere Unternehmen mit Steuerprivilegien angelockt hat, eine Verwässerung der Gipfel-Beschlüsse durchgesetzt. Dort heißt es nun, dass "die EU sich bei der Ausgestaltung der Digitalsteuer auch auf OECD-Ebene abstimmen" solle.

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