Mini-Job - Maxi-Erfolg

Berlin . So viel Einigkeit gibt es selten: Ein Jahr nach Inkrafttreten der neuen Regelungen für Mini-Jobber halten Regierung und Opposition gleichermaßen die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse für einen vollen Erfolg.

"Ein Musterbeispiel, Flexibilität und soziale Sicherheit zu verbinden", lautet das Urteil des SPD-Arbeitsmarktexperten Klaus Brandner. Und sein CDU-Pendant, Karl-Josef Laumann, nennt die Mini-Jobs ebenso eine "Erfolgsgeschichte". Ist dem aber tatsächlich so?Gewerkschaften sind unzufrieden

Nicht jeder teilt die freudige Sichtweise von Roten und Schwarzen: Die Dienstleister der Gewerkschaft Verdi betrachten die Mini-Job-Bilanz nämlich nach wie vor weitaus negativer als es die Politik tut. Auf den ersten Blick geben die Zahlen SPD und Union Recht: 7,5 Millionen Menschen gehen laut Bundesknappschaft derzeit einem Mini-Job nach, gut eine Million mehr als noch vor einem Jahr. Selbst die kühnen Erwartungen von Arbeits- und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) zur Beschäftigungsentwicklung in diesem Bereich wurden deutlich übertroffen. Clement hatte langfristig mit 5,8 Millionen Mini-Jobs gerechnet. "Die Zahlen belegen", sagt nun also eine stolze Bundesregierung, "Unternehmen, Arbeitgeber und Arbeitslose haben die Chancen, die die Neuregelung bietet, aktiv aufgegriffen und genutzt". Die seit dem 1. April 2003 geltenden und von SPD und Union ausgehandelten Vorschriften sehen vor, dass Arbeitnehmer bis zu 400 Euro im Monat verdienen dürfen, und zwar "brutto für netto", wie CDU-Experte Laumann bekräftigt. Arbeitgeber müssen dafür nur geringe Pauschalen für Steuer und Sozialabgaben entrichten. Und seit Monaten schon wird tatsächlich ein Boom dieser geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse verzeichnet, über die die Politik gleichzeitig die Schwarzarbeit einzudämmen versucht. Etwa 50 Prozent der Jobs üben laut Statistik allerdings Studenten und Schüler aus, in weiteren 20 Prozent der Minijobs verdienen sich - ebenfalls nicht arbeitslos gemeldete - Rentner etwas dazu. Darüber hinaus haben viele Hausfrauen oder Arbeitnehmer mit sehr geringem Einkommen nebenbei einen 400-Euro-Job, um die strapazierte Familienkasse aufzubessern. "Diese Einkommen geht zu 80 bis 90 Prozent in den Konsum", weiß Unionspolitiker Laumann. Mini-Jobs, die in der Regel von wenig qualifizierten Menschen ausgeübt würden, seien daher "das einzige Programm, dass die Binnennachfrage angekurbelt hat". Laut SPD-Fachmann Brandner sind die Regelungen zudem deshalb ein Erfolg, weil die Arbeitgeber für die kleinen Beschäftigungsverhältnisse vier Milliarden Euro in die Sozialversicherungen einzahlen, "davon allein 1,8 Milliarden in die Krankenversicherung". Jedoch glaubt niemand, mit den Mini-Jobs die Arbeitsmarktprobleme lösen zu können. Unumstritten ist aber auch, dass durch die Regelungen der "Niedriglohnbereich" hier zu Lande belebt worden ist. Nur: Der Branchenreport der Gewerkschaft Verdi besagt, dass gerade der Einzelhandel im vergangenen Jahr 227 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze abgebaut und durch kostengünstigere 176 000 Mini-Jobs ersetzt hat. Das sind Zahlen, die an den Erfolgsmeldungen von Regierung und Opposition also ordentlich kratzen. Vor allem Frauen sei die Chance genommen worden, sich ein existenzsicherndes Einkommen und eine soziale Absicherung für die Rente zu erarbeiten. "Sie werden auf Mini-Jobs verwiesen, die zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel sind", erklärt ver.di-Bundesvorstandsmitglied Franziska Wiethold. Aus Sicht der Gewerkschaften gehört die gesetzliche Ausweitung dieser Beschäftigungsart daher schleunigst wieder abgeschafft.

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