Fragen und Antworten: Die Familien-Ministerin stellt der Wirtschaft ein Ultimatum

Berlin · Katharina Barley droht Unternehmen mit festen Vorgaben auch für Vorstände.

Gut zwei Jahre nach dem Beschluss zur Einführung einer gesetzlichen Frauenquote für die Privatwirtschaft und den öffentlichen Dienst hat die Bundesregierung am Mittwoch eine gemischte Bilanz gezogen. In den Aufsichtsräten wirkt die Quote. Dagegen sind die Unternehmensvorstände immer noch eine Männer-Domäne. Nachfolgend die wichtigsten Einzelheiten im Überblick:

Wie ist die Quote genau geregelt?
Seit Anfang 2016 gilt für neu zu besetzende Aufsichtsratsposten in börsennotierten und voll mitbestimmungspflichtigen Unternehmen eine feste Quote von 30 Prozent für das jeweils unterrepräsentierte Geschlecht. Darunter fallen derzeit 105 Unternehmen mit jeweils mehr als 2000 Beschäftigten. Firmen, die entweder börsennotiert oder mitbestimmungspflichtig sind und nicht schon die feste Quote erfüllt haben, sollen eigene Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils in ihren Aufsichtsräten, Vorständen und obersten Management-Ebenen festlegen. Davon betroffen sind gut 1600 Unternehmen.

Was sind die Ergebnisse?
Unter dem Strich ist die 30-Prozent-Vorgabe noch nicht erreicht. Aber es gibt Fortschritte. So ist der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der Unternehmen, die unter die feste Quote fallen, im Geschäftsjahr 2015 von 25 auf 27,3 Prozent gestiegen. In den börsenorientierten Unternehmen, die nicht unter die feste Quote fallen, erhöhte sich der Frauenteil von 19,5 auf 21,2 Prozent. "Damit zeigt sich in nur eineinhalb Jahren nach Inkrafttreten der Regelung einen deutliche Steigerung des Frauenanteils in den Aufsichtsräten", heißt es dazu im Regierungsbericht. Ein weiterer positiver Befund: Vor allem die Unternehmen, die der festen Quote unterliegen, planen eine deutliche Steigerung ihres Frauenanteils in den übrigen Ebenen. Allein für die erste Führungsebene unterhalb des Vorstands haben sich laut Regierungsbericht 91 Prozent dieser Firmen eine Zielgröße oberhalb von Null gesetzt.

Wie sieht es in den Vorständen aus?
In den Vorständen, also den Leitungsorganen der Unternehmen, sind Frauen weiter stark unterrepräsentiert. Der Anteil beträgt lediglich 6,1 Prozent. Nur wenige Unternehmen hätten sich innerhalb der ersten vorgegebenen Frist bis Ende Juni 2017 das Ziel gesetzt, überhaupt eine Frau für den Vorstand zu gewinnen, heißt es in der Regierungsbilanz. Knapp 70 Prozent der Firmen, die sich Zielgrößen gesetzt haben, verzichteten darauf ganz. Nur 15 Prozent der Unternehmen mit einer selbst formulierten Zielgröße streben einen Frauenanteil von 30 Prozent oder mehr an.

Ist die Bundesverwaltung ein Vorbild?
Eher nicht, denn auch für Bundeministerien und Bundesoberbehörden gilt laut Regierungsbericht: "Je höher die Leitungsebene, desto weniger Frauen". Ihr Anteil an allen Leitungsfunktionen in der gesamten Bundesverwaltung betrug im Jahr 2015 rund 33 Prozent. 2009 waren es noch 30 Prozent. Zu beachten ist dabei, dass in der Bundesverwaltung mehr Frauen als Männer beschäftigt sind. Der Anteil von Frauen lag 2015 bei 54 Prozent.

Wie sind die Reaktionen?
Bundesfrauenministerin Katarina Barley (SPD) hält auch eine feste Quote bei den Vorständen der Unternehmen für vorstellbar. "Ich gebe der Wirtschaft noch ein Jahr Zeit, die Sache selbst zu regeln. Wenn sich bis dahin nichts tut, werden wir gesetzlich eingreifen", sagte sie. Dort, wo keine feste Quote gelte, bewege sich nach wie vor zu wenig. Auch Unions-Vizefraktionschefin Nadine Schön erklärte, bei der Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in Wirtschaft und Verwaltung gebe es "noch viel Luft nach oben".
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Viel Schatten bei der Frauenquote
Trotz einer gesetzlich vorgegebenen Geschlechter-Quote zumindest für die Aufsichtsräte in großen Unternehmen sind die Männer in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft immer noch viel zu häufig unter sich. Hat das Gesetz also versagt? Nicht unbedingt. Denn was wäre die Alternative? Schon zur Jahrtausendwende hatte die Wirtschaft Besserung gelobt. Doch das war nur ein Lippenbekenntnis. Insofern darf man getrost annehmen, dass die Lage wohl noch trauriger wäre, hätte die Bundesregierung weiter auf jeglichen Zwang verzichtet. Die amtierende Bundesfamilienministerin will die Schraube nun stärker anziehen. Ginge es nach Katarina Barley, wären demnächst feste Vorgaben auch für die Zusammensetzung von Firmen-Vorständen fällig. Die Wirtschaft sollte Barleys Drohung als Warnschuss betrachten. Wenn sich 70 Prozent der in Frage kommenden Unternehmen eine Zielgröße von null Prozent für den Frauenanteil in ihren Vorständen setzen, dann ist das ein unhaltbarer Zustand. Ohne politischen Druck dürfte sich dieses Problem nicht in Wohlgefallen auflösen. Offen bleibt zwar, ob Barley nach der Bundestagswahl noch dafür zuständig ist, ob ihre SPD überhaupt wieder mitregiert. Aber auch die Union hat längst erkannt, dass sich beim Frauenanteil in Führungspositionen deutlich mehr tun muss als bisher. Die Wirtschaft sollte also alarmiert sein. nachrichten.red@volksfreund.de

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