Mit Geschlossenheit und Strategie nach vorn

Mit Frank-Walter Steinmeier als Kanzlerkandidat und Franz Müntefering als Parteichef kann die SPD wieder einen Neuanfang wagen. Das sagt Uwe Jun, Parteienforscher an der Uni Trier.

Trier. (wie) Wie geht es weiter mit der SPD nach dem Rücktritt von Kurt Beck als Parteivorsitzender? Darüber sprach unser Redakteur Bernd Wientjes mit dem Trierer Parteienforscher Uwe Jun.

Herr Jun, haben die Personalentscheidungen der SPD Sie überrascht?

Jun: Nein. Dass Frank-Walter Steinmeier Kanzlerkandidat wird, hat sich schon seit längerem abgezeichnet. Auch dass Franz Müntefering aus der Versenkung geholt wird, ist nicht wirklich überraschend. Die beiden sind derzeit das Beste, was die SPD personell zu bieten hat.

Woran ist Kurt Beck gescheitert?

Jun: Sicher stand er aufgrund einer Medienkampagne ungeheuer unter Druck. Für viele Hauptstadt-Journalisten war er immer nur der Mann aus der Provinz. Natürlich hatte er auch nicht immer eine glückliche Hand bei der Parteiführung. Zwar ist es ihm ansatzweise gelungen, die Flügel der SPD zu einen, aber er hat es nicht geschafft, loyale Mitarbeiter auf Schlüsselpositionen zu hieven. Daher haben Gegner aus den eigenen Reihen dem Parteichef das Leben schwer gemacht. Hinzu kam, dass er Fehler im Umgang mit den Linken gemacht hat.

Stichwort: Linke: Wie muss sich die SPD künftig gegenüber dem politischen Gegner verhalten?

Jun: Sie muss sich nun eine echte Strategie überlegen. Die Sozialdemokraten müssen sich wieder auf ihre linken Wurzeln besinnen, sie müssen wieder glaubwürdig werden. Dafür stehen eigentlich Steinmeier und Müntefering.

Sie stehen aber auch für die große Koalition. Bedeutet die Personalentscheidung automatisch auch eine Fortführung der derzeitigen Regierung nach der Bundestagswahl im nächsten Jahr?

Jun: Nicht unbedingt. Mit Steinmeier und Müntefering ist eine Große Koalition zumindest nicht ausgeschlossen. Darüber hinaus halte ich alle Bündnisse für möglich, außer mit den Linken.

Geht die SPD gestärkt oder geschwächt aus diesem Wochenende hervor?

Jun: Wenn nun alle hinter dem neuen Duo stehen, dann könnte die Partei gestärkt aus der Krise hervorgehen. Es hängt davon ab, ob es Franz Müntefering gelingen wird, die Flügelkämpfe zu beenden.

Wofür steht Müntefering eigentlich: Für die alte oder die neue SPD?

Jun: Sowohl als auch. Natürlich verkörpert er zunächst einmal die SPD von Gerhard Schröder und die der Agenda 2010. Aber er ist ein erfahrener Politiker und Wahlkämpfer, der weiß, worauf es in einer Situation wie der jetzigen ankommt.

Wird die Große Koalition die Turbulenzen in der SPD verkraften und bis zur Wahl in einem Jahr zusammenhalten?

Jun: Ja. Ein vorzeitiges Ende würde beiden Parteien mehr schaden als nützen.

Kann Kurt Beck seine unangefochtene Führung in Rheinland-Pfalz weiter halten, oder ist er auch zu Hause angeschlagen?

Jun: Im eigenen Land wird er die Niederlage in Berlin unbeschadet überleben, allerdings nur, wenn die potenziellen Nachfolger weiterhin treu zu ihm stehen.

zur person

Uwe Jun, 1963 in Braunschweig geboren, lehrt seit 2005 an der Uni Trier Politikwissenschaft. Seine Schwerpunkte sind Parteienforschung und politische Kommunikation.

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