Mit der Luftwaffe ins Herzzentrum

GEROLSTEIN/PRISTINA. Kaffee gibt's für 60 Cent, Softdrinks für 70. Essen ist nicht vorgesehen. Die Stewardess trägt einen grauen Overall. Auch das Flugzeug ist grau lackiert. "Luftwaffe" prangt in schwarzen Buchstaben auf dem Rumpf – der Flug ist ein Truppentransport der Bundeswehr. Mit an Bord: der siebenjährige Isa Berisha.

Mit weit geöffneten Augen sitzt Isa Berisha in seinem Flugzeugsessel. Und dann lacht er, während sich der Airbus in den Himmel über Pristina erhebt. Neben ihm sitzt Doktor Wolfgang von Ohnesorge. Der Notarzt horcht das Herz des Jungen ab, dann steckt er sein Stethoskop in die Jackentasche. "Hervorragend", sagt er. "Kein Fieber, keine Schmerzen, der Kreislauf ist stabil - wir brauchen keinen Krankenwagen." Isa Berisha fliegt vom Kosovo nach Deutschland, weil er am Herz erkrankt ist. "Vermutlich ein doppelter Herzklappenfehler", sagt Doktor von Ohnesorge. Krankheit ist im Kosovo ein Todesurteil

In dem kleinen Ort 80 Kilometer östlich von Pristina, in dem der Junge mit seiner Familie lebt, ist eine solche Erkrankung ein Todesurteil. Und auch die Bundeswehr in Pristina konnte nur begrenzt helfen. Das Gerät für eine Herzuntersuchung bei einem Kind ist nicht verfügbar. Entspannt lehnt sich Pfarrer Hans Peter Müssenich in seinem Flugzeugsessel zurück, und auch Bundestagsabgeordnete Elke Leonhard aus Manderscheid wirkt erleichtert. Seit Oktober haben die beiden versucht, dem Jungen zu helfen. Osman Berisha, der Vater von Isa, hatte sich an den Pfarrer gewandt. Von 1995 bis 2000 lebte die vor dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien geflohene Familie in Niederzissen, wo Müssenich damals Pfarrer war. 1997 wurde Isa geboren. Das Geld für die Behandlung des Jungen bekam der Pfarrer zusammen, der Weg nach Deutschland war aber trotzdem versperrt. Ein Visum für Isas Vater musste her - und ein Flugzeug mit medizinischer Ausrüstung an Bord. Elke Leonhard, als SPD-Bundestagsabgeordnete zuständig für den Wahlkreis 203, zu dem auch Gerolstein gehört, nahm sich des Jungen an - und so sind Pfarrer, Arzt und Abgeordnete in den Bundeswehr-Airbus nach Pristina gestiegen. Nach der Landung bleibt nur eine Stunde. Männer in Tarnkleidung drängen sich im Bus zum Abfertigungsgebäude. Auf jedem Platz liegt eine schusssichere Weste. Für Fahrten nach außerhalb? "Nein", sagt Elke Leonard. Auch am Flughafen könne es zu Zwischenfällen kommen. Der Bus fährt an einer Transall mit aufgemalter US-Flagge vorbei. Dann heißt es warten.Soldaten haben Jungen versorgt

Gepanzerte Fahrzeuge parken neben den Bussen; auf weißem Grund prangen die Buchstaben "UN". Auf anderen Fahrzeugen steht "KFOR". Schließlich öffnet der Busfahrer die Tür. In der Wartehalle des Flughafens drängeln sich olivgrün gekleidete Menschen. Deutsche und englische Wortfetzen dringen im Vorbeigehen ans Ohr. An einem Imbissstand gibt es Kaffee und Sandwiches. Doch wo sind Isa und sein Vater? Ein Soldat an einem Schalter weiß Rat. "Frau Dr. Leonhard? Hier entlang." Da sind sie: Begleitet von zwei deutschen Soldaten warten Vater und Sohn am Flughafen. Schnell noch ein heißer Kaffee und dann Sicherheitscheck, Schuhdesinfektion und ein schwerer Abschied: Die beiden Soldaten haben sich in den vergangenen Monaten intensiv um Isa gekümmert, ihn zu den ärztlichen Untersuchungen gefahren und das Geld fürs Visum ausgelegt. Vater und Sohn umarmen die beiden, der Bus zum Flugzeug wartet schon. Zwischen Bundeswehrsoldaten, die nach vier Monaten in die Heimat zurückkehren, klettern Vater und Sohn die Gangway hoch. Bevor sie in den Airbus steigen, werfen sie einen letzten Blick auf die schneebedeckten Berge um Pristina.

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