"Mit der Schönrechnerei ist dann Schluss"

TRIER/BITBURG/WITTLICH. Das kommunale Haushalts- und Rechnungswesen, das seit 250 Jahren nach dem Einnahmen- und Ausgabenprinzip funktioniert, wird reformiert. Künftig müssen die Kommunen in Rheinland-Pfalz die "Doppik" anwenden, die doppelte Buchführung, wie sie bei Wirtschaftsunternehmen üblich ist. Ziele sind mehr Transparenz und wirtschaftliches Haushalten.

"Natürlich wird die Doppik die sich abzeichnende langfristige Finanznot der Kommunen nicht beseitigen", sagte Wittlichs Stadtbürgermeister Ralf Bußmer kürzlich bei der Einbringung des 2006er-Haushalts. Der dann mögliche Überblick über Vermögen, Schulden und Rückstellungen führt seiner Meinung nach aber dazu, "dass Entscheidungen im investiven Bereich auf einer fundierten Datenbasis getroffen werden können". An "ein neues Miteinander und eine neue Art der Kommunikation zwischen Räten und Verwaltung" glaubt Landrat Roger Graef (Kreis Bitburg-Prüm). Auch seine Kollegin Beate Läsch-Weber (Bernkastel-Wittich) ist davon überzeugt, dass die Doppik ein leistungsfähiges und zukunftssicheres Rechnungswesen ist. Als Pilotlandkreis in Rheinland-Pfalz wird Bernkastel-Wittlich schon seinen Produkthaushalt 2006 nach neuen Standards aufstellen. Der Konzer Bürgermeister Winfried Manns, stellvertretender Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz, erhofft sich von der Doppik eine "größere Ehrlichkeit". Mit der Schönrechnerei in den Haushalten sei dann Schluss.Unternehmen der Privatwirtschaft sind Vorbild

Die Kommunen müssen künftig wie ein Unternehmen der Privatwirtschaft haushalten. Damit müssen Parameter berücksichtigt werden, die das kameralistische Buchungssystem sträflich vernachlässigte, darunter die horrenden Pensionsrückstellungen oder Abschreibungen. Auch Entscheidungen, ob Leasing oder Kauf sinnvoller ist, oder ob Eigenfertigung dem Fremdbezug vorgezogen werden sollte, waren bisher nicht haushaltsrelevant. Die Doppik hingegen lässt es zu, dass die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage im Zeitablauf nachvollziehbar sind. "Die Ablösung der Kameralistik durch die Doppik auf kommunaler Ebene ist daher ein zentrales Reformvorhaben, dem sich der Bund und die Länder möglichst bald anschließen sollten", fordert der Leiter der Kommunalabteilung beim rheinland-pfälzischen Innenministerium, Rudolf Oster. Der Einführungsaufwand für die Doppik ist hoch. Bei der Stadtverwaltung Trier sorgen 38 Mitarbeiter aus allen Dezernaten für die Aufstellung der zwingend vorgeschriebenen Eröffnungsbilanz. Alleine 460 Immobilien müssen begangen, bewertet und bilanziert werden. Teilweise werden Mitarbeiter mit Zeitverträgen eingestellt, darunter Ingenieure und Bilanzbuchhalter, um das städtische Vermögen zu erfassen. Gebäude, Straßen, Plätze, Grünflächen, Vermögensgegenstände in Museen und Bibliotheken - alles muss taxiert werden. Drei Millionen Euro will die Stadt Trier von 2005 bis 2007 im Verwaltungsetat für die Doppik einstellen, weitere 1,6 Millionen Euro kommen an Kosten für Hard- und Software hinzu. Für Kleinstgemeinden lohne sich der Aufwand nicht, meint Bitburgs Stadtbürgermeister Joachim Streit, einer der wenigen Doppik-Kritiker. Dass die Eröffnungsbilanz einen Überblick über die Werte einer Kommune gibt, findet er gut, allerdings hätte ihm "eine erweiterte Kameralistik mit draufgesatteltem Produkthaushalt" gereicht. 81 Prozent der Städte und 60 Prozent der Kreise gehen davon aus, dass die Doppik geeignet ist, die Haushaltskonsolidierung zu unterstützen. Das hat eine Befragung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG ergeben. Rückläufige Steuereinnahmen und explodierende Kosten, besonders für die Sozialhilfe, haben das Defizit der kommunalen Haushalte auf fast zehn Milliarden Euro anwachsen lassen, Tendenz steigend.

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