Mords-Gaudi und Schnarch-Musik

KÖLN. Vor dem Dom veranstalten die Jugendlichen eine Mords-Gaudi, bei den liturgischen Veranstaltungen geht’s nicht ganz so unterhaltsam zu: Für die Jugendlichen haben der Event-Charakter und das Gemeinschaftsereignis des Weltjugendtags eine große Bedeutung.

Der offizielle Eröffnungsmoment des Weltjugendtags war am Dienstagabend die Szene, als der gastgebende Kardinal Meisner im vollbesetzten Rheinenergie-Stadion ans Mikrofon trat und die Pilger aus aller Welt begrüßte; der emotionale Eröffnungsmoment aber war die Szene gut zwei Stunden später, als die rund 50 000 Jugendlichen in eben jenem Stadion so lange und so laut klatschten, schrien und die La-Ola machten, dass Bundespräsident Horst Köhler minutenlang keine Chance hatte, seine Rede zu halten. In diesen Minuten verdeutlichten die Jugendlichen: Gemeinsam sind wir stark, gemeinsam wollen wir auch bestimmen, was passiert. Die Jugend der Welt als Gemeinschaft, die sich hier trifft, gemeinsam singt, feiert und Spaß hat - diese Einstellung prägt bislang den Weltjugendtag.Die liturgischen Elemente können nur schwer Schritt halten mit den gemeinschaftlichen. Das zeigt sich schon beim Eröffnungsgottesdienst im Rheinenergie-Stadion, als Kardinal Meisner einen der lauten Jubelstürme mit "Nun haltet doch mal Ruhe" abbricht, was wohl witzig gemeint war, aber so rüberkommt, wie es oft rüberkommt, wenn Meisner spricht: irritiert.

Der gesamte Gottesdienst wirkt fad bis langweilig, auch die Musik kommt bisweilen etwas schnarchig daher. Da beginnt schon beim Motto-Lied "Venimus adorare eum", das eher in die Kategorie "bedächtig" als in die Rubrik "Schmetterlied" gehört.

"Viele Jugendliche haben gesagt, dass ihnen die Gemeinschaft wichtiger ist, aber sie sich auch auf die Gottesdienste freuen. Nur sollten die nach ihrer Meinung nicht so klassisch sein wie der im Stadion, sondern etwas moderner", erklärt Philipp Lorig, der im Rahmen eines Soziologie-Projekts der Universität Trier mit nach Köln gefahren ist, um die Jugendlichen zu Glauben, Kirche und dem Weltjugendtag zu interviewen.

Den Versuch des Aufpeppens ziehen die Verantwortlichen bei der täglichen Katechese durch, die für alle teilnehmenden Jugendlichen der Euregio (Zusammenschluss der Bistümer Trier, Lüttich, Luxemburg, Troyes, Metz) täglich im E-Werk in Köln-Mülheim ist. Dreieinhalb Stunden Gesang, Katechese, Diskussion und Gottesdienst - mit kleineren Problemen. "Die Organisation war nicht so gut, so dass wir in einen Nebenraum ausweichen mussten, um die Katechese mit zu verfolgen. Dort haben wir aber die deutsche Übersetzung nicht mitbekommen", berichtet Stefan Burr, Dekanatsreferent von Bitburg.

Jetzt ist die Distanz zwischen den Priestern und den Jugendlichen zwar geringer, und bei manchen, aber auch nur bei manchen, Liedern während des Gottesdiensts entsteht so etwas wie Konzertstimmung - so recht will der Funke dennoch nicht überspringen. "Die Stimmung hier in Köln ist insgesamt unheimlich ausgelassen und fröhlich. Aber das empfinde ich vor allem in den Straßen so, hier bei der Katechese weniger", meint Anne (29) aus Mehring. Und ein kleiner Rundblick zeigt: Die einen blättern in der Bild-Zeitung und schauen sich die vielen Bilder von verschiedenen Pilgergruppen an, die anderen plauschen munter miteinander, die Dritte nutzen die Katechese, um sich ein wenig aufs Ohr zu legen.

Die Kritiker, die im Vorfeld meinten, die meisten Jugendlichen pilgerten vor allem wegen des Event-Charakters nach Köln, scheinen Recht zu bekommen. Es bleibt allein die Frage, ob diese Einschätzungen nach dem Papst-Gottesdienst am Sonntag ebenfalls noch gültig sind.

Unser Mitarbeiter Johannes Aumüller berichtet exklusiv für den TV vom Weltjugendtag in Köln.

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