Müntefering und Stoiber gemeinsam

BERLIN. Wer die Parteivorsitzenden Franz Müntefering (SPD) und Edmund Stoiber (CSU) am Samstag in Berlin erlebt hat, konnte schwerlich auf die Idee kommen, hier seien zwei politische Gegner heillos zerstritten.

Selbst erschrocken vom Scheitern der von ihnen geleiteten Föderalismuskommission hatten Müntefering und Stoiber noch am Freitag beschlossen, den politischen Schaden zu begrenzen. Bereits am Samstag Morgen gingen sie mit einer klaren Botschaft vor die Presse: "Die Kommission geht, die Aufgabe bleibt" (Stoiber). "Der Geist ist aus der Flasche, das hält keiner mehr auf" (Müntefering). Diese Auffassung vertreten viele Zeitgenossen, an ihrer Spitze Bundespräsident Horst Köhler, der sich am Wochenende bei seinem Antrittsbesuch im Saarland in die Debatte einmischte.Neuanfang nach dem Querpass

Nach einer Denkpause müsse die Politik das Thema wieder aufgreifen und zu einem positiven Ergebnis führen, sagte Köhler in Saarbrücken. Ähnlich äußerten sich Arbeitgeber, Wirtschaftsverbände, die Kommunen und zahlreiche Politiker aller Parteien. Die Reform des föderalen Staates sei zu wichtig, um die Sache auf sich beruhen zu lassen. Genau diesen Eindruck wollten auch die gescheiterten Vorsitzenden Müntefering und Stoiber vermitteln. Mit bildreicher Sprache versuchten sie, die Notwendigkeit eines Neuanfangs zu beschreiben. Gewiss sei das Spiel vorbei, doch "dann gibt es Verlängerung und Elfmeterschießen", meinte Stoiber. Auch Fußballfreund Müntefering bemühte die Kickersprache und fand "manchmal auch einen Querpass gut", danach ginge es mit einem Neuaufbau weiter. Die Wortakrobatik sollte verdeutlichen: Uns ist bewusst, dass wir es mit der lapidaren Feststellung des Scheiterns nicht bewenden lassen können. Gescheitert war die Kommission bekanntlich am Kernbereich Bildung, dessen Zuständigkeit die Bundesländer für sich beanspruchten, und zwar "vom Kindergarten bis zur Universität". Weil sich der Bund dieses hochpolitische Thema nicht komplett aus der Hand nehmen lassen wollte, hatten sich die Fronten verhärtet. Müntefering sagte am Samstag, er sei völlig überrascht gewesen, als Stoiber am vergangenen Donnerstag die Parole "alles oder nichts" ausgegeben habe. Er sei sich aber mit Bundeskanzler Gerhard Schröder, mit dem er in telefonischem Kontakt stand, und anderen einig gewesen, die Forderung der Unionsländer nicht akzeptieren zu können. Stoiber sagte, die Länder hätten dem Bund "ein faires Angebot" gemacht. Ungeachtet der Rechtfertigungsversuche war klar, dass sich die Vorsitzenden nicht weh tun wollten. Dem Vernehmen nach haben sie sich im Verlauf der mehr als einjährigen Kommissionsarbeit näher kennen und besser schätzen gelernt. Wie es jetzt weitergehen soll, weiß niemand so genau. Die Hauptpersonen hielten sich mit Vorschlägen zurück, ließen aber keinen Zweifel daran, dass ein neuer Versuch gestartet werden müsse. Zum Vorschlag des FDP-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Gerhardt, der die Staatsreform einem überparteilichen Konvent (benannte Mitglieder aus Politik und Gesellschaft) anvertrauen möchte, mochten sie nichts sagen.Neue Pläne zur Bildungsordnung

Die Vorschläge müssten am Ende ja in jedem Fall von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Immerhin will Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) jetzt bis Sommer 2005 "konkrete Pläne" zur Bildungs-Neuordnung vorlegen. Wenn dieses Kernproblem bereinigt sei, könne eine neue Kommission einen neuen Anlauf nehmen, hieß es in Berlin. Zuvor wollen Stoiber und Müntefering aber bei Bundespräsident Köhler vorfühlen und dessen Rat einholen. Die Kontakte dazu sind nach Informationen unserer Zeitung schon geknüpft.

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