Muffelnd in den Morgen

TRIER. Wenn Anfang September die Schule losgeht, heißt das für viele Kinder: früh aufstehen. Schulanfänger müssen sich an die magische Acht-Uhr-Marke gewöhnen, Schulwechsler sitzen oft schon um Sieben in Bus oder Zug. Harte Zeiten für notorische Morgenmuffel – und ihre Eltern.

Mühsam schlurft Teresa Vogel durch die halbdunkle Wohnung. Drei Anläufe hat Mutter Tanja diesmal gebraucht, um die Siebenjährige zu wecken. Seit ein paar Tagen geht Teresa in die Schule, und genau seit diesem Zeitpunkt hat sich die Wohnung der Familie Vogel in ein morgendliches Schlachtfeld verwandelt. Zu Kindergarten-Zeiten konnte man gemütlich bis viertel nach acht dösen, und wenn’s mal später wurde, war es auch nicht weiter tragisch. Jetzt ist um viertel vor sieben die Nacht zu Ende. An Frühstück ist nicht zu denken

Bei Cousin Tobias Vogel ist es noch schlimmer. Der Zehnjährige geht seit vorgestern nach Schweich aufs Ganztags-Gymnasium, muss schon um kurz nach Sieben am Hauptbahnhof in den Bus steigen. "Das heißt um sechs Uhr aufstehen", stöhnt Mutter Tanja, selbst nicht unbedingt eine Frühaufsteherin. An Frühstück ist nicht zu denken. "Ich krieg’ nix runter", streikt ein hundsmiserabel gelaunter Filius und fetzt sich lautstark mit seiner kleinen Schwester Tabea. Kein Wunder, denkt Tanja Vogel, er hat ja gestern auch wieder erst um halb elf geschlafen. Die Szene bei unserer fiktiven TV-Familie Vogel ist erfunden, aber nicht unrealistisch. Ab der zweiten Septemberwoche werden viele Eltern rätseln, wie sie die innere Uhr ihres Nachwuchses und die Bedürfnisse der Schule unter einen Hut kriegen. "Vor allem mit viel Geduld", rät die Trierer Kinderärztin Uta Brenner. Die Schlafzeiten seien eine "sehr individuelle Angelegenheiten" und nicht kurzfristig zu beeinflussen. Die Ärztin empfiehlt, Morgenmuffel auf keinen Fall auf den letzten Drücker zu wecken, auch wenn man so ein paar Minuten Schlaf gewinnt: "Morgens muss Zeit bleiben, um in den Tag zu kommen." Aber was tun, wenn die biologische Uhr anders tickt? Schlafforscher wie der Regensburger Wissenschaftler Jürgen Zuley halten es für unmöglich, um acht Uhr morgens fitte Kinder in der Schule zu haben. Sie plädieren dafür, den Schulbeginn wie in anderen europäischen Ländern auf neun Uhr zu verlegen. Ein Schritt, der Schulen und berufstätige Eltern allerdings vor massive Probleme stellen würde und deshalb kaum Realisierungschancen hat. Praktiker wie der Direktor des Trierer Angela-Merici-Gymnasiums (AMG), Wolfgang Müller, vermuten ohnehin, um neun Uhr würden viele Schüler genau so müde in den Klassen sitzen wie um acht. Dennoch bestätigt er, dass das Müdigkeits-Problem eine Rolle im Schulalltag spielt und auch schon mal zu Beratungen unter den Lehrern führt, wenn Schüler im Einzelfall besonders häufig in den Seilen hängen. Am bischöflichen AMG, das aufgrund seines guten Rufs Schülerinnen aus einem ungewöhnlich weiten Umkreis anzieht, müssen viele früh in Bus oder Zug sitzen. Deshalb bietet man als Wocheneinstieg montags in der ersten Stunde einen "Morgenkreis" in Gesprächsform an. Ab und zu liest der Direktor auch schon mal sinnfällige Texte vor, bevor der "richtige" Unterricht startet. Wer freilich mit knurrendem Magen geistig Gehaltvolles aufnehmen soll, ist oft kein dankbares Publikum für die Lehrerschaft. Deshalb sei das Frühstück "ausgesprochen wichtig", betont Kinderärztin Brenner. Allerdings gebe es auch Kinder, "die in der Frühe partout nichts runterkriegen". Da sei es auch denkbar, ein Sonder-Frühstückspaket für die erste Pause zu packen. Kein Kompromiss dagegen bei der Flüssigkeitsaufnahme: Trinken sei am frühen Morgen zuhause "ein absolutes Muss". Ansonsten empfiehlt die Expertin bei chronisch müden Kindern, einen festen Zeitpunkt fürs Schlafengehen festzulegen und den auch "konsequent einzuhalten". Wieviel Schlaf nötig ist, dafür gibt es allerdings kein allgemeines Patentrezept. Das schwanke individuell "zwischen zehn und 14 Stunden", sagt Uta Brenner. Schlafforscher Zuley glaubt sogar, bei Zehnjährigen könnten auch acht Stunden reichen. Entscheiden müssen das letztlich Eltern und Kinder gemeinsam. Derweil glaubt der "Fachverband Fußverkehr Deutschland", ein anderes Rezept gegen die Misere gefunden zu haben. Statt die Kinder immer öfter morgens mit dem Auto in die Schule zu fahren, sollten sie lieber laufen. Bewegung vor Schulbeginn mache die Schüler "wach und fit". Wie haben Sie es geschafft, für Ihren Nachwuchs einen vernünftigen Schlafrhythmus zu finden? Wie ist es am Wochenende? Wie bringen Sie morgens ein mürrisches Kind zum frühstücken? Was halten Sie vom späteren Schulbeginn? Behalten Sie Ihre Tipps und Meinungen nicht für sich, geben Sie Ihren Rat und Ihre Erfahrung an andere Eltern weiter. Mail an schulstart@volksfreund.de oder Anruf unter der Telefonnummer 0651/7199-420.

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